Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz gegen Vollstreckungsersuchen einer Krankenkasse nach § 15a VwVG BW. Leistungsklage bzw einstweilige Anordnung auf Unterlassung der weiteren Zwangsvollstreckung in eingeschränktem Umfang statthaft. zulässiger Gegenstand. Beitreibung von Beiträgen und Säumniszuschlägen. vorherige Festsetzung durch Verwaltungsakt erforderlich
Leitsatz (amtlich)
1. Gegen das Vollstreckungsersuchen einer Krankenkasse nach § 15a LVwVG BW (juris: VwVG BW) ist eine auf Unterlassung der weiteren Zwangsvollstreckung gerichtete Leistungsklage nur in eingeschränktem Umfang statthaft. Mit einer solchen Unterlassungsklage bzw einer einstweiligen Anordnung kann gerügt werden, dass der im Vollstreckungsersuchen als zu vollstreckender Bescheid bezeichnete Verwaltungsakt mangels Bekanntgabe nicht wirksam geworden ist.
2. Beiträge und Säumniszuschläge, die mit Hilfe eines Vollstreckungsersuchens nach § 15a LVwVG beigetrieben werden sollen, müssen zuvor in der Höhe, in der die Vollstreckung betrieben wird, durch Verwaltungsakt festgesetzt worden sein. Lediglich die ansonsten für die Zwangsvollstreckung geforderte vollstreckbare Ausfertigung des Leistungsbescheids und deren Zustellung wird durch das Vollstreckungsersuchen nach § 15a LVwVG BW ersetzt.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.03.2019 aufgehoben. Die Antragsgegnerinnen werden im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Zwangsvollstreckung von Beitragsrückständen des Antragstellers bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache einstweilen zu unterlassen.
Die Antragsgegnerinnen tragen die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung die Einstellung der Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Beitragsforderungen.
Der Antragsteller ist bei den Antragsgegnerinnen aufgrund einer selbständigen Tätigkeit freiwillig krankenversichert und in der Pflegeversicherung pflichtversichert.
Die Antragsgegnerinnen stellten mit Bescheid vom 17.01.2008 den Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag für die Zeit ab 01.01.2008 mit 624,60 € monatlich neu fest. Mit Schreiben vom 23.09.2008 baten die Antragsgegnerinnen den Antragsteller, den offenen Betrag iHv 642,60 € bis zum 10.10.2008 zu überweisen, seine Bank habe die Lastschrift für den Beitrag für August 2008 nicht eingelöst. Eine weitere Mahnung der zwischenzeitlich offenen Krankenversicherungsbeiträge iHv 1.312,20 € erfolgte mit Schreiben vom 28.10.2008 unter Hinweis auf die Folgen bei weiterhin bestehenden Rückständen.
Mit Bescheid vom 26.09.2008 hoben die Antragsgegnerinnen den Beitragssatz ab Oktober 2008 auf 655,20 € monatlich wegen gestiegener Arzneimittel- und Krankenhauskosten an. Eine Neufestsetzung erfolgte mit Bescheid vom 19.12.2008 für die Zeit ab 01.01.2009 mit 628,43 € monatlich. Dieser Bescheid wurde dem Antragsteller mit Postzustellungsurkunde am 21.02.2009 zugestellt. Weitere Neufestsetzungen erfolgten mit Bescheiden vom 19.06.2009 (ab Juli 2009 iHv 606,38 € monatlich), 11.12.2009 (ab Januar 2010 iHv 618,75 € monatlich) und 20.10.2010 (ab Januar 2011 iHv 634,84 € monatlich).
Am 24.11.2010 gingen der Einkommensteuerbescheid des Antragstellers für das Jahr 2008 sowie ein Einkommensfragebogen bei den Antragsgegnerinnen ein. Mit einem weiteren Bescheid vom 29.12.2010 senkten die Antragsgegnerinnen den Beitrag aufgrund der Einreichung von Einkommensnachweisen ab Dezember 2010 auf 496,77 € monatlich ab.
Mit Bescheid vom 15.12.2011 wurde der Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag für die Zeit ab Januar 2012 mangels Einreichung des Einkommensfragebogens auf 654,08 € monatlich angehoben. Nachdem im Januar 2010 der Einkommensfragebogen sowie die erste Seite des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2009 bei den Antragsgegnerinnen eingegangen waren, wurde der Antragsteller erfolglos mit Schreiben vom 24.01.2012, 08.03.2012 und 04.09.2012 zur Einreichung der zweiten Seite aufgefordert.
Die Antragsgegnerinnen setzten die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge anschließend jährlich neu fest (Bescheid vom 17.12.2012 ab Januar 2013 iHv 677,25 €, Bescheid vom 12.12.2013 ab Januar 2014 iHv 696,61 €, Bescheid vom 29.12.2014 ab Januar 2015 iHv 721,88 €, Bescheid vom 28.12.2015 ab Januar 2016 iHv 745,81 €, Bescheid vom 15.12.2016 ab Januar 2017 iHv 774,30 €).
Auf der am 14.08.2017 eingegangenen Einkommenserklärung gab der Antragsteller an, sein Einkommen im Jahr 2017 werde voraussichtlich 600 € monatlich betragen. Eine weitere Erklärung mit demselben Inhalt erfolgte am 26.09.2017. Beigefügt war eine Gewerbeabmeldung zum 31.10.2017. Hierauf setzten die Antragsgegnerinnen mit Schreiben vom 13.12.2017 den Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag für die Zeit ab September 2017 auf 397,17 € und mit Bescheid vom 14.12.2017 ab Januar 2018 auf 406,52 € monatlich fest.
Mit Schreiben vom 04.12.2017 mahnte...