Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. vertragsärztliche Versorgung. Vollstreckung eines Regresses von Honorarkorrekturen. ursprünglicher Regressbescheid als Grundlage. buchhalterische Umsetzung des Regresses im Honorarbescheid
Leitsatz (amtlich)
Grundlage der Vollstreckung eines Regresses von Honorarkorrekturen ist der ursprüngliche Regressbescheid und nicht ein nachfolgender Honorarbescheid. Im Honorarbescheid wird der Regress nur buchhalterisch umgesetzt.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 08.02.2024 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird endgültig auf 382,180,54 € festgesetzt.
Gründe
I.
Im Streit ist die Aussetzung der Zwangsvollstreckung gegen die von der Antragsgegnerin betriebene Zwangsvollstreckung aus einem Honorarbescheid.
Der Antragsteller ist seit 1993 als Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten zur vertragsärztlichen Versorgung mit Sitz in H1 zugelassen.
Nachdem bereits mit Bescheid vom 07.05.2020 die Honorarbescheide für die Quartale 1/2016 bis 4/2017 zur Fristwahrung aufgehoben worden waren, hob der Plausibilitätsausschuss der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 30.06.2021 auch die Honorarbescheide für die Quartale 1/2018 bis 3/2020 auf, setzte das vertragsärztliche Honorar des Antragstellers für die Quartale 1/2016 bis 3/2020 neu fest und forderte Honorar i.H.v. 2.030.176,83 € zurück. Auf den vom Antragsteller dagegen erhobenen Widerspruch half die Antragsgegnerin dem Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2022 die Quartale 1/2016 bis 3/2020 betreffend teilweise ab und verringerte den Rückforderungsbetrag auf 1.895.156,12 €. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Hiergegen erhob der Antragsteller am 11.08.2022 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG; S 12 KA 2565/22 ); i.H.v. 190.788,79 € (Quartale 1/2016 bis 2/2017 gemeinsame Patientenbehandlung in einer Praxisgemeinschaft) wurde die Rückforderung mit der Klage nicht angegriffen. Eine zuletzt auf den 21.06.2024 angekündigte Klagebegründung steht ausweislich des Schriftsatzes des Antragstellers vom 21.07.2024 weiterhin aus.
Mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenem Honorarbescheid vom 16.10.2023 setzte die Antragsgegnerin nach Abzug der Gutschrift i.H.v. 143.568,77 € für das Quartal 2/2023 eine Überzahlung i.H.v. 1.528.722,17 € fest.
Am 10.11.2023 beantragte die Antragsgegnerin beim Amtsgericht S1 - Gerichtsvollzieherverteilungsstelle - unter Berufung auf§ 15a des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für Baden-Württemberg (LVwVG) die Pfändung und Verwertung körperlicher Sachen. Es sei die Forderung aus dem Honorarbescheid des Quartals 2/2023 der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg vom 16.10.2023 i.H.v. 1.528.722,17 € zu vollstrecken. Diese Forderung resultiere aus der Verbuchung von Honorarkorrekturen für die Quartale 4/2013 bis 4/2015 und 1/2016 bis 3/2020, welche in den vergangenen Quartalen nicht mit dem Honorar hätten verrechnet werden können. Die zu vollstreckende Forderung sei unanfechtbar und zuletzt mit Schreiben vom 15.02.2023 erfolglos gemahnt worden. Des Weiteren werde ein Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft nach § 807 Zivilprozessordnung (ZPO) mit vorherigem Pfändungsversuch vor Ort sowie ein Antrag nach § 802c ZPO für den Fall des Nichtantreffens des Schuldners gestellt.
Unter dem 14.12.2023 kündigte die Gerichtsvollzieherin dem Antragsteller für den 23.01.2024 die Durchführung der Zwangsvollstreckung gegen ihn an.
Am 09.01.2024 hat der Antragsteller beim SG die Aussetzung der Zwangsvollstreckung durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, der Antrag der Antragsgegnerin sei rechtswidrig. In dem Antrag werde behauptet, die Forderung sei unanfechtbar. Dies sei nicht zutreffend. Die Forderung sei anfechtbar und werde von ihm mit der Klage, die beim SG unter dem Az. S 12 KA 2565/22 geführt werde, angefochten. Dies hätte die Antragsgegnerin in ihrem Antrag korrekt darstellen müssen. Seiner Zahlungsverpflichtung als Schuldner komme er nach. Er habe seit 2021 beträchtliche Beträge an die Antragsgegnerin zurückgeführt. Eine Forderung könne erst dann zwangsvollstreckt werden, wenn sie gerichtlich überprüft und bestätigt sei. Dies stehe noch aus. In den vergangenen drei Jahren habe die Antragsgegnerin die Tilgung durch Ratenzahlung in Form einbehaltener Honorare auch stillschweigend akzeptiert. In weiteren drei Jahren werde die Restforderung ausgeglichen sein. Ersatzweise beantrage er, im Zuge einer Härtefallentscheidung eine einstweilige Verfügung zu erlassen und die Zwangsvollstreckung auszusetzen, da er eine realistische Perspektive zur Begleichung der Restschuld in einem angemessenen Zeitraum biete. Monatlich könnten 30.000 € zurückgeführt werden. Darüber hinaus habe er sich verpflichtet, zusätzliche Ratenzahlungen an die Gerichtsvollzieherin zu leisten (zuletzt für ...