Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. einstweilige Anordnung. Beschwerde. Rechtsschutzbedürfnis der Behörde. Zahlung aufgrund erstinstanzlicher Anordnung. sofortiger Wegfall des Rechtsgrundes bei Aufhebung der einstweiligen Anordnung. Sozialhilfe. Eingliederungshilfeleistung. behindertes Kind. Integrationshelfer für Kindergartenbesuch
Leitsatz (amtlich)
Die Behörde verfügt für eine Beschwerde auch dann über ein Rechtsschutzbedürfnis, soweit sie in Erfüllung einer erstinstanzlichen einstweiligen Anordnung bereits geleistet hat. Im Falle der Aufhebung der erstinstanzlichen einstweiligen Anordnung durch das Beschwerdegericht entfällt der durch die einstweilige Anordnung geschaffene Rechtsgrund, die geleisteten Zahlungen zu behalten, sofort und nicht erst mit der rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren.
Orientierungssatz
Leistungen für den Einsatz eines Integrationshelfers zum Zwecke des Kindergartenbesuchs können über die Auffangnorm des § 55 Abs 2 SGB 9 beansprucht werden (vgl LSG Celle-Bremen vom 27.8.2015 - L 8 SO 177/15 B ER).
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 2. August 2018 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller seine außergerichtlichen Kosten auch des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Übernahme der Kosten einer Integrationshilfe während des Kindergartenbesuchs durch den Antragsteller.
Der Antragsteller ist 2014 geboren. Er ist ein Zwillingsfrühgeborener der 33. Schwangerschaftswoche mit am ehesten pränataler, cerebraler Minderperfusion und daraus resultierender periventrikulärer Leukomalazie. Es bestehen die Diagnosen eines Westsyndroms (frühkindliche Epilepsie [ICD-10 G40.4]), einer periventrikulären Leukomalazie (ICD-10 P91.2) sowie des Ausbleibens der erwarteten physiologischen Entwicklung (ICD-10 R62.8) (Schreiben der Dr. K. vom Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums F. vom 22. September 2015). Der Antragsgegner erbringt Eingliederungshilfe für den Antragsteller u.a. in Form der Kostenzusage für eine heilpädagogische Frühförderung für zwei Behandlungseinheiten wöchentlich durch eine heilpädagogische Praxis (zuletzt Bescheid vom 10. November 2017 für die Zeit vom 1. November 2017 bis 31. Oktober 2018).
Der Antragsteller besuchte bis Ende des Jahres 2017 eine Kinderkrippe (Kindertagesstätte D. in T.). Der Antragsgegner bewilligte dem Antragsteller mit Bescheid vom 16. März 2017 Eingliederungshilfe in Form einer monatlichen Vergütung für eine begleitende Hilfe während des Besuches der Kindertagesstätte D. in Höhe von monatlich 900,00 Euro für die Zeit vom 1. April 2017 bis 30. April 2018.
Seit dem 1. Januar 2018 besucht der Antragsteller (zusammen mit seinem nicht behinderten Zwillingsbruder) die Halbtagesgruppe eines Regelkindergartens (Kindergarten W.), dessen Träger die Gemeinde B. am Kaiserstuhl (im Folgenden: Kindergartenträger) ist. Die Betreuungszeiten der Halbtagesgruppe sind montags bis freitags von 8.00 Uhr bis 12.30 Uhr. Die Kindergartengruppe umfasst 22 Kinder, die von zwei Vollzeitkräften sowie einer Erzieherin mit 70 Prozent betreut werden.
Der Kindergartenträger und der Antragsgegner schlossen unter dem 21. Dezember 2017 eine schriftliche Vereinbarung (im Folgenden: Vereinbarung) über die Gewährung von Eingliederungshilfe für den Antragsteller. Darin verpflichtet sich der Kindergartenträger, die vom Antragsgegner bewilligten Leistungen zu erbringen bzw. erbringen zu lassen. Art und Umfang der Leistungen ergeben sich nach § 2 Abs. 2 der Vereinbarung aus dem jeweiligen Bewilligungsbescheid. Die Vergütung beträgt nach § 3 der Vereinbarung für pädagogische Hilfen 900,00 Euro. Gemäß § 4 der Vereinbarung verantwortet der Kindergartenträger die Fachlichkeit und Qualität der Leistung. Er trägt danach insbesondere dafür Sorge, dass in Kooperation mit geeigneten Fachstellen die angemessene Förderung und Weiterentwicklung der im Kindergarten betreuten behinderten Kinder gesichert ist.
Mit Schreiben vom 30. Oktober 2017 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner die Gewährung von Eingliederungshilfe für den Besuch des Regelkindergartens W. in B. ab dem 1. Januar 2018 in Form von begleitender und pädagogischer Hilfe. Beantragt wurden eine hundertprozentige begleitende Hilfe, sechs Stunden pädagogische Hilfe in der Einrichtung (dadurch eventuell Reduzierung der begleitenden Hilfe) und die Fortführung der zwei Einheiten Frühförderung pro Woche in der heilpädagogischen Praxis. Beigefügt war ein Schreiben der Dr. K. von 18. Oktober 2017. Darin führte diese aus, dass beim Antragsteller auf Grund einer am ehesten pränatalen Unterversorgung eine Behinderung in mehreren Bereichen bestehe. Der Antragsteller habe eine infantile Cerebralparese, welche seine Mobilität deutlich einschränke. Es bestehe eine strukturelle, therapieschwierige Epilepsie und eine eingeschr...