Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die durch gesonderten Beschluss erfolgte Auferlegung von Verschuldenskosten. Kostenentscheidung. Kostenerstattung durch die Staatskasse bei erfolgreicher Beschwerde

 

Leitsatz (amtlich)

Gegen einen Beschluss, mit dem das Sozialgericht Verschuldenskosten nach § 192 Abs 1 S 1 Nr 2 SGG verhängt hat, ohne zugleich eine Entscheidung in der Hauptsache zu treffen, ist die Beschwerde nach § 172 Abs 1 SGG statthaft.

Hat eine Beschwerde gegen die Verhängung von Verschuldenskosten Erfolg, hat die Staatskasse (und nicht der Beschwerdegegner) die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers zu tragen.

 

Orientierungssatz

Nach der neueren Rechtsprechung des BSG (vgl BSG vom 1.4.2009 - B 14 SF 1/08 R = SozR 4-1500 § 51 Nr 6) ist grundsätzlich in jedem Beschwerdeverfahren, das zu einem gesonderten Gebührenanfall nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz führt, eine Kostenentscheidung zu treffen.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 11.09.2015 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe gerichteten Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Die Entscheidung des Sozialgerichts Ulm im Beschluss vom 11.09.2015, der Antragstellerin eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 250,00 € aufzuerlegen, wird aufgehoben.

Die Staatskasse hat der Antragstellerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des gegen die Verhängung von Verschuldenskosten gerichteten Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich insbesondere gegen die Verhängung einer Missbrauchsgebühr (Verschuldenskosten gemäß § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG) i.H.v. 250,00 € im Beschluss des Sozialgerichts Ulm (SG) vom 11.09.2015. Von der Beschwerde umfasst ist ebenfalls die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe in dem genannten Beschluss.

Die 1966 geborene Antragstellerin bewohnte im streitgegenständlichen Zeitraum (01.09.2015 bis 31.12.2015) mit ihren jeweils 1990 geborenen Söhnen M. und B. eine gemeinsame Wohnung. Letzterer ist in einer Werkstatt für Behinderte im Arbeitsbereich tätig und bezieht Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Der Sohn M. bewohnte bis zum 29.06.2015 eine Wohnung in W. (Bescheinigung der Stadt H. vom 30.06.2015, Bl. 1268 Verwaltungsakte des Antragsgegners - VA)

Die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) für die Wohnung der Antragstellerin betragen monatlich insgesamt 590,00 € (Grundmiete von 400,00 €, Betriebskostenvorauszahlung von 94,00 € und Heizkostenvorauszahlung von 96,00 €).

Mit Bewilligungsbescheid vom 23.06.2015 (Bl. 1255 VA) bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 713,50 € für den Zeitraum vom 01.07.2015 bis ein 30.12.2015, davon 399,00 € entfallend auf den Regelbedarf, 39,90 € entfallend auf Mehrbedarfe und 274,60 € entfallend auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung.

Am 30.06.2015 beantragte der Sohn M. telefonisch beim Antragsgegner die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II, da er wieder bei der Antragstellerin eingezogen sei. Mit Änderungsbescheid vom 09.07.2015 (Bl. 1294 VA) hob der Antragsgegner den Bescheid vom 23.06.2015 teilweise auf und bewilligte der Antragstellerin mit jeweils 639,00 € monatlich für die Monate Juli und August 2015 und 712,69 € für September 2015 jeweils geringere Leistungen als ursprünglich. Für Oktober bis Dezember 2015 bewilligte er mit 739,40 € monatlich höhere Leistungen als ursprünglich.

Dem Sohn M., der 2015 das 25. Lebensjahr vollendet hat, bewilligte er in dem Bescheid ebenfalls Leistungen nach dem SGB II.

Gegen den Änderungsbescheid vom 09.07.2015 legte die Antragstellerin am 15.07.2015 Widerspruch ein (Bl. 1304a VA).

Mit weiterem Bescheid vom 24.08.2015 (Bl. 1324 ff. VA) änderte der Antragsgegner unter erneuter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 23.06.2015 die Höhe der bewilligten SGB II-Leistungen nochmals ab und bewilligte der Antragstellerin für den Monat September 2015 insgesamt 639,24 €, für die Monate Oktober bis Dezember 2015 jeweils 639,23 €, davon 399,00 € entfallend auf den Regelbedarf, 39,90 € entfallend auf Mehrbedarfe und 200,34 € (September) bzw. 200,33 € (Oktober bis Dezember) entfallend auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung. In der Rechtsmittelbelehrung wies der Antragsgegner darauf hin, dass der Bescheid nach § 86 SGG Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens werde.

Am 28.08.2015 hat die Antragstellerin vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten den Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Der Antragsgegner sei zu verurteilen, ihr Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe ab dem 01.09.2015 zu zahlen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, ihre Existenzgrundlage sei erheblich gefährdet, da die durch die Söhne bezogenen Leistungen nicht ausreichten, um die Kosten der...

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