Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftlichkeitsprüfung. hoher Ausländeranteil keine Praxisbesonderheit

 

Orientierungssatz

Ein hoher Ausländeranteil kommt bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung als Praxisbesonderheit nicht in Betracht (Festhaltung an LSG Stuttgart vom 1.10.1997 - L 5 KA 2588/96).

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Klägers in den Quartalen 2/95 und 3/95 streitig.

1. Der Kläger ist in S als Allgemeinarzt niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Im Quartal 2/95 behandelte er insgesamt 1724 Patienten (221 Rentnerversicherte = 12,8 %), die Fachgruppe der Allgemeinärzte/praktischen Ärzte 1069 Patienten (297 Rentnerversicherte = 27,7 %). Die Honoraranforderung des Klägers je Fall im kurativen Bereich betrug 1459,6 Punkte (Fachgruppe: 889,2 Punkte). Damit überschritt der kurative Gesamtfallwert des Klägers den entsprechenden Vergleichswert der Fachgruppe um 3,0 S. In der Leistungsgruppe 01 (Beratungsleistungen) überschritt der Kläger den Fachgruppendurchschnitt um 5,5 S, in der Leistungsgruppe 09 (physikalisch-medizinische Leistungen) um 4,6 S.

Die Beigeladene zu 1 beantragte die Prüfung der Behandlungsweise des Klägers (Schreiben vom 19.10.1995). In seiner Stellungnahme verwies der Kläger auf den hohen Ausländeranteil unter seinen Patienten, der eine erhöhte Zahl von Beratungen und Sonderleistungen zur Folge habe, den hohen Anteil an Arbeitnehmern und ein breites Leistungsspektrum, insbesondere im Bereich der Sonderleistungen.

Mit Beschluß vom 26.03.1996/ Bescheid vom 08.04.1996 kürzte der Prüfungsausschuß der Ärzte und Krankenkassen die Honoraranforderung um 470.911,0 Punkte. Der Prüfungsausschuß ging von folgenden Vergleichswerten aus:

O Fallwert in Punkten

Kürzung

Fach- Arzt

Abweichung

gruppe vor nach

vor nach

Kürzung

Kürzung

Gesamt-

Fallwert

auf +1,5 S

917,3 1555,9

1214,6

+3,2 S

+1,5 S

Zur weiteren Begründung führte der Prüfungsausschuß aus, das Leistungsspektrum sei bei der Ermittlung der Vergleichswerte berücksichtigt worden. Die ergänzende Durchsicht von Behandlungsausweisen habe keine Besonderheiten ergeben. Im Bereich der Arzneikosten unterschreite der Kläger den Fachgruppenvergleichswert um 0,5 S (Minderaufwand = 547.710,0 Punkte). Von diesem Minderaufwand seien 50 % als kompensatorische Einsparungen zu werten. Überschreitungen seien bei Wochenendsprechstunden aufgefallen, wobei die medizinische Notwendigkeit zur Wochenendbehandlung nicht ersichtlich sei.

Gegen den Bescheid vom 08.04.1996 erhob der Kläger am 06.05.1996 Widerspruch: Er halte an Samstagen von 8.00 bis 14.00 Uhr Sprechstunden ab. Er behandle außerordentlich viele Ausländer, nicht nur Griechen. Dies führe zu einer hohen Fluktuation, es würden weniger Stammpatienten behandelt. Zudem seien Ausländer krankheitsanfälliger. Im streitigen Quartal habe er keine stationäre Einweisung vorgenommen.

Mit Beschluß vom 26.06.1996/Bescheid vom 16.07.1996 änderte der Beklagte den angefochtenen Bescheid ab: Er kürzte den kurativen Gesamtfallwert auf + 1,99 S Überschreitung (= 324.225,0 Punkte), wobei er dem Kläger die Differenz zwischen alter und neuer Kürzung gutschrieb.

Zur Begründung führte der Beklagte aus: Die Vergleichszahlen der Fachgruppe seien entsprechend dem Rentneranteil des Klägers gewichtet und auf der Ebene der Leistungsgruppen und des Gesamtfallwertes unter Zugrundelegung ausschließlich der vom Kläger abgerechneten Leistungen erbringerbezogen berechnet worden. Insoweit seien Leistungsschwerpunkte, soweit es sich nicht um Praxisbesonderheiten handele, bzw. das Leistungsspektrum in den statistischen Vergleich eingeflossen. Die Überschreitung des Vergleichswertes der Fachgruppe liege im Bereich des offensichtlichen Mißverhältnisses, das ohne Praxisbesonderheiten bei 1,65 S beginne. Als Praxisbesonderheit sei die Samstagssprechstunde anzuerkennen. Hier seien bei den Beratungen die Gebührennummern 3 und 6 mit den Gebührennummern 1 und 4 gegenzurechnen. Dies ergebe einen Mehraufwand von 0,34 S. Die Grenze zum offensichtlichen Mißverhältnis sei unter Berücksichtigung des anzuerkennenden Mehraufwandes bei 1,99 S (1,65 + 0,34) zu ziehen.

Weitere Praxisbesonderheiten oder kompensatorische Einsparungen seien nicht anzuerkennen. Ein hoher Ausländeranteil stelle keinen Grund für die Rechtfertigung eines Mehraufwandes dar. Die "durchgehenden Öffnungszeiten" der Praxis dürften nicht zum Ansteigen des Gesamtfallwertes -- über den anerkannten Rahmen hinaus -- führen, denn mit dem Gesamthonorar erhöhe sich auch die Anzahl der Fälle. Dies gelte insbesondere für den Kläger, in dessen Praxis eine hohe Fluktuation vorherrsche. Das breite Leistungsspektrum sei durch den erbringerbezogenen Vergleich, durch den der Durchschnittsfallwert der Fachgruppe um 0,47 S angehoben worden sei, abschließend und ausreichend berücksichtigt. Die unterdurchschnittlichen Krankenhauseinweisungen könnten nicht als kompensatorische Einsparungen angesehen werden. Zum einen fehle statistisches Vergleic...

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