Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss bei längerer stationärer Unterbringung. Begriff der stationären Einrichtung. Justizvollzugsanstalt. Zurückstellung der Strafvollstreckung. Drogentherapie
Leitsatz (amtlich)
Justizvollzugsanstalten fallen nicht unter den Einrichtungsbegriff des § 13 SGB 12, der auch im Rahmen des § 7 Abs 4 SGB 2 entsprechend heranzuziehen ist. Wird unter Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG eine Therapiemaßnahme in einer Rehabilitationseinrichtung durchgeführt, die prognostisch weniger als 24 Wochen dauert, darf die Zeit der vorangegangenen Inhaftierung nicht auf den Sechsmonatszeitraum des § 7 Abs 4 SGB 2 angerechnet werden.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2. wird der Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 15. Februar 2006 geändert.
Die Antragsgegnerin zu 2. wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab 24. Januar 2006 für die Dauer der stationären Behandlung in der Rehabilitationseinrichtung J.., längstens jedoch bis 6. Juni 2006, vorläufig Arbeitslosengeld II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin zu 2. hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
Im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes begehrt der Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Er ist - nach Verbüßung eines Teils seiner Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt S. (JVA) - unter Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) seit 21. Dezember 2005 in der Rehabilitationseinrichtung J. untergebracht; Hauptkostenträger ist die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV). Nach Rücknahme eines am 19. Januar 2006 gestellten Eilantrages hat der Antragsteller am 24. Januar 2006 erneut beim Sozialgericht Heilbronn (SG) einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung mit dem Ziel der Erlangung von Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) oder Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) gestellt; zur Begründung hat er insbesondere geltend gemacht, dass sein Krankenversicherungsschutz derzeit nicht gewährleistet sei, nachdem Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung lediglich für Bezieher von Arbeitslosengeld II bestehe und er darüber hinaus während der stationären Behandlung nicht in den Genuss des Regelungen der §§ 56 bis 59 des Strafvollzugsgesetzes gelangen könne. Das SG hat die Antragsgegnerin zu 2. mit Beschluss vom 15. Februar 2006 vorläufig verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit ab 19. Januar 2006 Arbeitslosengeld II zu bewilligen. Hiergegen richtet sich die am 28. Februar 2006 beim SG eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2. Gegen deren zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2006 hat der Antragsteller bereits am 21. Februar 2006 Klage zum SG erhoben (S 5 AS 633/06).
Entscheidungsgründe
Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulässig und in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang auch begründet, im Wesentlichen jedoch nicht begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.). Die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) gelten entsprechend (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG). Gemäß § 86b Abs. 3 SGG sind die Anträge nach den Abs. 1 und 2 a.a.O. schon vor Klageerhebung zulässig.
Vorliegend kommt, da es ersichtlich um die Regelung eines vorläufigen Rechtszustands geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt zunächst die Statthaftigkeit und Zulässigkeit des Antrags (vgl. hierzu Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 8. Auflage, § 86b Rdnrn. 265 ff.; Funke-Kaiser in Bader u.a., Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 3. Auflage, § 123 Rdnrn. 37 ff.) und des Weiteren auf der Begründetheitsebene die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Buchholz 421.21 Hochschulzulassungsrecht Nr. 37; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 123 Rdnrn. 64, 73 ff., 80 ff.; Puttler in Sod...