Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenvergütung. Honorar für besondere Leistungen. elektrophysiologische Untersuchung. Begriff. Voraussetzungen für die Vergütungsfähigkeit von Untersuchungen. einmalige Vergütung der Gebührenposition Nr 1408 der GOÄ 1982 bei Untersuchung beider Ohren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Begriff elektrophysiologische Untersuchungen nach Nr 305 der Anlage 2 (zu § 10 Abs 1) JVEG umfasst (nur) die direkte, unmittelbare Messung elektrischer Potentiale durch deren Ableitung (ebenso LSG Berlin-Potsdam vom 14.2.2017 - L 2 SF 370/15 E; LSG Essen vom 6.9.2013 - L 15 U 589/12 B = MEDSACH 2014, 133). Untersuchungen, bei denen das Vorhandensein elektrischer Körperströme lediglich indirekt nachgewiesen wird (zB bei der Prüfung von Reflexen), fallen nicht hierunter (aA LSG Berlin-Potsdam vom 14.2.2017 - L 2 SF 370/15 E). Dem entsprechend sind Schall messende Untersuchungen (zB Impedanzmessung, Messung otoakustischer Emissionen), visuelle Untersuchungen (zB kalorische Prüfung mittels Frenzel‚scher Brille, Video-Kopf-Impuls-Test) und Untersuchungen, die eine gewillkürte Reaktion des Probanden erfassen (zB Tonschwellenaudiogramm, Sprachaudiogramm, Tinnitusbestimmung), nicht nach Nr 305 der Anlage 2 (zu § 10 Abs 1) JVEG vergütungsfähig.

2. Die Nr 1408 GOÄ (juris: GOÄ 1982) (Hirnstammaudiometrie) ist nur einmal vergütungsfähig, auch wenn beide Ohren untersucht werden.

 

Tenor

Die Vergütung der Antragstellerin für ihr Gutachten vom 15.08.2018 wird auf 1496,90 € festgesetzt.

Das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

In dem beim Landesozialgericht Baden-Württemberg (LSG) anhängigen Berufungsverfahren L 6 U 3318/17 macht der Kläger Verletztenrente wegen seiner als Berufskrankheit anerkannten Schwerhörigkeit geltend. Im Mai 2018 hat die Antragstellerin, mit der der Antragsgegner am 22.08.2013 eine Vereinbarung über die Vergütung als Sachverständige in sozialgerichtlichen Verfahren geschlossen hat, ein hals-nasen-ohrenärztliches Gutachten nach ambulanter Untersuchung des Klägers erstattet, für das sie einen Gesamtbetrag von 3.337,71 € in Rechnung gestellt hat (24 Stunden zu 100,00 €, diverse Positionen nach dem einfachen Satz der Gebührenordnung für Ärzte - GOÄ -, Schreibgebühren und Kosten für Ausdrucke, Porto und schließlich die Umsatzsteuer). Die Kostenbeamtin hat lediglich 1.435,31 € vergütet, darunter die vereinbarte Pauschale für Zeitaufwand bei einem sehr schwierigen Gutachten sowie - insoweit antragsgemäß - Schreibgebühren, Kosten für Ausdrucke, Porto und die Umsatzsteuer.

Mit ihrem Antrag auf richterliche Festsetzung der Vergütung räumt die Antragstellerin eine Pauschalierung ihres Vergütungsanspruches auf Grund der getroffenen Vereinbarung ein, begehrt aber die Vergütung der abgerechneten GOÄ-Positionen als elektrophysiologische Untersuchungen. Der Antragsgegner bestreitet deren Vergütungsfähigkeit, weil es sich um keine elektrophysiologischen Untersuchungen handle.

II.

Nach der auf der Grundlage von § 14 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz, JVEG) getroffenen Vereinbarung, die die Ansprüche der Antragstellerin im Zusammenhang mit der Erstattung schriftlicher Gutachten auch auf Grund ambulanter Untersuchung (vgl. Vereinbarung unter I.) umfassend regelt, hat die Antragstellerin gemäß Teil V Nr. 2 der Vereinbarung einen Anspruch auf richterliche Festsetzung ihrer Vergütung unter Anwendung von § 4 JVEG. Gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG entscheidet der Senat in voller Besetzung, weil der Einzelrichter das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache auf den Senat übertragen hat.

Der Zeitaufwand der Antragstellerin für die Erstattung des Gutachtens ist in Höhe von 1.100,00 € zu vergüten. Dies ist der von den Beteiligten vereinbarte Höchstsatz. Hierin sind sich die Beteiligten auch einig und die Antragstellerin begehrt im Grunde mit ihrem Antrag auf richterliche Festsetzung auch keine höhere Vergütung für Zeitaufwand mehr. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Kostenbeamtin zu Recht und mit zutreffender Begründung eine nach der getroffenen Vereinbarung mögliche Vergütung nach tatsächlich aufgewandten und erforderlichen Stunden abgelehnt hat, weil - so die Voraussetzung nach der Vereinbarung (Teil III Nr. 1) - kein außergewöhnlicher Zeitaufwand wegen der besonderen Schwierigkeit der Gutachtenserstellung vorgelegen hat. Zwar hat die Antragstellerin 24 Stunden abgerechnet. Aus ihrer Aufstellung ergibt sich jedoch, dass dies nicht der tatsächliche Zeitaufwand war. Vielmehr hat die Antragstellerin nach eigenen Pauschalen (u.a. eine Stunde für vier Seiten für das „Abfassen“ des Gutachtens sowie eine Stunde für sechs Seiten Diktat und Korrektur) abgerechnet und damit - entgegen ihrer Behau...

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