Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenvergütung. medizinisches Gutachten. Erstattung für Sachleistungen. elektrophysiologische Untersuchung. keine Entschädigung für Sachleistungen nach dem DKG-NT: bloße Benutzung und fortlaufende Abnutzung von Werkzeugen, Geräten und technischen Einrichtungen. Vergütungspauschale nur nach vorheriger Vereinbarung

 

Orientierungssatz

1. Elektrophysiologische Untersuchungen im Sinne der Ziffer 305 der Anlage 2 zum JVEG sind solche Untersuchungen, bei denen elektrische Potentiale unmittelbar und direkt durch Ableitung gemessen werden.

2. Bei folgenden Abrechnungspositionen handelt es sich um keine elektrophysiologischen Untersuchungen: Tonschwellenaudiogramm (GOÄ Nr 1403), Tinnitusbestimmung und Sprachaudiogramm (GOÄ Nr 1403a, 1404), kalorische Prüfung der Gleichgewichtsorgane (GOÄ Nr 1412), Impedanzmessung (GOÄ Nr 1407) Messung otoakustischer Emissionen (GOÄ Nr 1409) sowie Ohrmikroskopie (GOÄ Nr 1415).

3. Eine Erstattung von Auslagen nach § 12 Abs 1 JVEG als Sachleistung findet nur für verbrauchte Stoffe und Werkzeuge statt. Für die bloße Benutzung und fortlaufende Abnutzung von Werkzeugen, Geräten und technischen Einrichtungen ist keine Entschädigung nach § 12 Abs 1 S 2 Nr 1 JVEG zu zahlen.

4. Der Normaltarif der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG-NT) und die dort als "Sachkosten" bezeichneten Positionen sind keine Grundlage für nach § 12 Abs 1 S 2 Nr 1 JVEG erstattungsfähigen Kosten.

5. Pauschalen kommen nach dem JVEG nur dann zur Anwendung, wenn sie gemäß § 14 JVEG zwischen dem Sachverständigen und der zuständigen Stelle vereinbart sind.

 

Tenor

Die Vergütung des Antragsgegners für sein unter dem 18.05.2020 erstattetes Sachverständigengutachten wird auf 3.350,20 Euro festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Über die von der Staatskasse beantragte richterliche Festsetzung der Vergütung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 JVEG entscheidet der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter, weil er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 4 Abs. 7 Satz 2 und 3 JVEG).

Die Vergütung des Antragsgegners für sein im Berufungsverfahren erstattetes Sachverständigengutachten vom 18.05.2020 ist, im Wesentlichen wie von der Staatskasse beantragt, auf 3.350,20 Euro festzusetzen. Dies entspricht der vom Antragsgegner mit Rechnung vom 18.05.2020 geltend gemachten und inhaltlich nicht zu beanstandenden Vergütung nach Zeitaufwand nach § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 9 JVEG (27,5 Stunden zu je 100,- Euro nach der Vergütungsgruppe M 3 = 2.750,- Euro) zuzüglich Porto in Höhe von 9,49 Euro (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG), Schreibauslagen in Höhe von 55,80 Euro (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 JVEG) und Umsatzsteuer (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG) in Höhe von 534,91 Euro. Nicht vergütungsfähig sind demgegenüber die vom Antragsgegner als "Sachleistungen nach dem DKG-NT" geltend gemachten Kosten in Höhe von insgesamt 99,43 Euro sowie die hierauf entfallende Umsatzsteuer.

1. Die in der Rechnung vom 18.05.2020 im Einzelnen unter Angabe von GOÄ-Ziffern genannten Positionen sind nicht nach § 10 Abs. 1 JVEG i.V.m. Anlage 2 zum JVEG gesondert erstattungsfähig. Die allein in Betracht kommende Ziffer 305 der Anlage 2 zum JVEG ("Elektrophysiologische Untersuchung eines Menschen") ist für keine der genannten Positionen einschlägig (so schon im Ergebnis der Beschluss des Senats vom 02.10.2019 - L 15 SB 285/19 B -, juris Rn. 7).

Elektrophysiologische Untersuchungen im Sinne der Ziffer 305 der Anlage 2 zum JVEG sind solche Untersuchungen, bei denen elektrische Potentiale unmittelbar und direkt durch Ableitung gemessen werden (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 14.02.2017 - L 2 SF 370/15 E -, juris Rn. 7; LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 21.06.2018 - L 10 KO 1935/18 -, juris Rn. 10; LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 31.01.2020 - L 2 SB 101/19 B -, juris Rn. 18 und in der Sache auch schon der Beschluss des Senats vom 06.09.2013 - L 15 U 589/12 B -, juris Rn. 6). Bei keiner der in Gestalt von Abrechnungspositionen als vergütungsrelevant angegebenen Untersuchungen handelt es sich um die unmittelbare und direkte Ableitung elektrischer Potentiale.

Bei dem Tonschwellenaudiogramm (GOÄ Nr. 1403), der Tinnitusbestimmung (hier abgerechnet unter GOÄ Nr. 1403a) und dem Sprachaudiogramm (GOÄ Nr. 1404) werden keine elektrischen Signale abgeleitet, sondern die Reaktion des Probanden erfasst (so auch LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 21.06.2018 - L 10 KO 1935/18 -, juris Rn. 15 f.; LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 31.01.2020 - L 2 SB 101/19 B -, juris Rn. 19).

Bei der kalorischen Prüfung der Gleichgewichtsorgane (GOÄ Nr. 1412) wird zur Provokation und Prüfung eines Nystagmus Wasser unterschiedlicher Temperatur in den äußeren Gehörgang eingebracht und die Reaktion der Augen visuell analysiert. Elektrische Potentiale werden in diesem Fall somit ebenfalls nicht (unmittelbar) erfass...

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