Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Ausschreibung von Rabattverträgen für Kontrastmittel als Sprechstundenbedarf. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Krankenkassen können Rabattverträge im Sinne des § 130a Abs 8 SGB V für Kontrastmittel als Sprechstundenbedarf mit dem Ziel ausschreiben, dass nach Abschluss eines Rahmenvertrags (Exklusivvertrag) mit dem Ausschreibungsgewinner der Bezug des bezuschlagten Produkts durch Vertragsärzte als wirtschaftliche Verordnung gilt (Konkretisierung des wirtschaftlichen Bezugswegs).
2. Einer gesonderten gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedarf es hierfür nicht (Vorbehalt des Gesetzes). Gesetzliche Regelungen stehen einem solchen Vorgehen nicht entgegen (Vorrang des Gesetzes).
Orientierungssatz
1. Die Ausschreibung von Rahmenverträgen stellt keinen Eingriff in die nach Art 19 Abs 3 GG in Verbindung mit Art 12 Abs 1 GG geschützte Berufsfreiheit eines pharmazeutischen Unternehmens dar.
2. Die Therapiefreiheit eines Vertragsarztes wird durch die ausgeschriebenen Rahmenverträge nicht verletzt.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 12. Dezember 2020 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten auch des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Antrags- und Beschwerdeverfahren endgültig auf ... € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über eine europaweite Ausschreibung von Rahmenverträgen über Arzneimittelrabatte der Antragsgegnerinnen zu 2 und 3 durch den Antragsgegner zu 1. Die Antragstellerin begehrt eine einstweilige Untersagung der Fortsetzung der Ausschreibung sowie des Abschlusses der ausgeschriebenen Rahmenverträge.
Die antragstellende GmbH betreibt ein pharmazeutisches Unternehmen, das auf die Entwicklung, die Herstellung und den Vertrieb von Kontrastmitteln für bildgebende Verfahren spezialisiert ist. Sie stellt unter anderem die Arzneimittel I® (Wirkstoff: Im.) in den Konzentrationen 150, 250, 300, 350 und 400 mg Iod/ml, S® (Wirkstoff: Ip.) in den Konzentrationen 200, 300 und 370 mg Jod/ml, und P® (Wirkstoff: G.) her, welche Röntgenkontrastmittel sind. Sie ist das einzige Unternehmen im Konzernverbund, das in Deutschland tätig ist.
Die Antragsgegnerinnen zu 2 und 3 sind gesetzliche Krankenversicherungen. Bei dem Antragsgegner zu 1 handelt es sich um den Bundesverband der Allgemeinen Ortskrankenkassen, einschließlich der Antragsgegnerinnen zu 2 und 3. Der Antragsgegner zu 1 führt im Auftrag der Antragsgegnerinnen zu 2 und 3 die streitgegenständliche europaweite offene Ausschreibung durch. Die Antragsgegnerin zu 2 handelt für den Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Schleswig-Holstein federführend für sich selbst sowie weitere Krankenkassen bzw. deren Verbände. Die Antragsgegnerin zu 3 handelt für die KV-Bezirke Rheinland-Pfalz und Saarland federführend für sich selbst, sowie weitere Krankenkassen bzw. deren Verbände.
Mit Ausschreibung vom 20. Oktober 2020 und EU-weiter Bekanntmachung vom 22. Oktober 2020 schrieb der Antragsgegner zu 1 im Auftrag der Antragsgegnerinnen zu 2 und 3 auf dem Deutschen Vergabeportal den „Abschluss von Rahmenverträgen zur Belieferung der radiologisch tätigen Vertragsärzte im KV-Bezirk Schleswig-Holstein und in den Ländern Rheinland-Pfalz und Saarland mit Kontrastmitteln“ aus („Ausschreibung“; ABl. EU 2020/S ...). Bis zum 20. November 2020 konnten sich pharmazeutische Unternehmen mit Angeboten an der Ausschreibung beteiligen.
Für beide Gebietslose, die den beiden KV-Bezirken entsprechen, wurden die ausgeschriebenen Kontrastmittel wirkstoffübergreifend, z.B. nach Anwendung, Anwendungsgebieten und Konzentrationen, in fünf Fachlose aufgeteilt. Das Fachlos C hat die jodhaltigen Röntgenkontrastmittel für die intraarterielle, intravenöse und intrakavitäre Anwendung zum Gegenstand, die für die Anwendung in der Urographie, Phelobographie, Arteriographie, Angiographie, Angiokardiographie, digitale Substraktionsangiographie, CT-Kontrastverstärkung und für die Darstellung von Körperhöhlen zugelassen sind. In der Ausschreibung angeboten werden müssen zum einen die Konzentrationen 300 mg/ml oder 320 mg/ml („Konzentrationen 1“) und zum anderen die Konzentrationen 350 mg/ml oder 370 mg/ml oder 400 mg/ml („Konzentrationen 2“), jeweils in bestimmten Packungsgrößen. Die Bewerber müssen jodhaltige Röntgenkontrastmittel sowohl in den Konzentrationen 1 und 2 anbieten (jeweils mindestens eins) als auch gemeinsam alle Anwendungsgebiete abdecken.
Für jedes Los ist jeweils der Abschluss eines exklusiven Rahmenvertrages (im Folgenden RV) mit dem Ausschreibungsgewinner vorgesehen. Die entsprechenden Rahmenverträge sind bereits in den Ausschreibungsunterlagen enthalten. Eine Verhandlung über den Vertragsinhalt findet nicht statt. Zuschlagskriterium ist der Preis. Jeder Bieter hat für jedes Fachlos, auf das er bietet, einen einheitlichen Preis pro ml anzubieten (Preisblatt, Anlage 8a und 8b der Vergabeunterlagen). Im Formblat...