Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe für Ausländer. Hilfe zum Lebensunterhalt. Leistungsausschluss bei Einreise zum Zweck des Sozialhilfebezuges
Leitsatz (amtlich)
Prägend für den Zuzug eines Ausländers in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ist der Sozialhilfebezug im Sinne des Ausschlusstatbestandes nach § 23 Abs 3 SGB XII, wenn zwischen dem Zuzug ins Bundesgebiet und der Antragstellung lediglich ein Zeitraum von 13 Kalendertagen bzw - bedingt durch Feiertage - von fünf Arbeitstagen liegt, der Ausländer erst ein Jahr zuvor bereits ins Bundesgebiet eingereist war und bereits am nächsten Tag nach dem Zuzug einen Antrag auf Sozialhilfe gestellt hatte (sodann das Bundesgebiet allerdings wieder verlassen hatte) und schließlich der Familienangehörige (hier die Tochter), zu dem der Zuzug erfolgen sollte, selbst im Leistungsbezug nach dem SGB II steht.
Normenkette
SGB XII § 23 Abs. 3 S. 1; FreizügkeitsG/EU §§ 4, 2 Abs. 1
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen den die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz versagenden Beschluss des Sozialgerichts F. vom 1. Juni 2016 wird zurückgewiesen.
Die Beschwerde der Klägerin gegen den die Gewährung von Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Sozialgerichts F. vom 1. Juni 2016 wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin begehrt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe nach dem Vierten Kapitel (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
Die 1945 geborene Antragstellerin ist rumänische Staatsangehörige. Sie lebte in T. in R..
Erstmals beantragte die Antragstellerin am 26. September 2014 nach gemeinsamen Zuzug zu ihrer Tochter mit ihrem zwischenzeitlich verstorbenen Ehemann in das Bundesgebiet am 25. September 2014 beim Antragsgegner die Gewährung von Sozialhilfe - Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - . Am 10. Oktober 2014 erfolgte die Rückreise nach R.. Der Antrag vom 26. September 2014 wurde, nachdem mehrfache Aufforderungen, noch entsprechende Unterlagen vorzulegen, unbeantwortet blieben, mit Bescheid vom 26. März 2015 wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt.
Am 29. Dezember 2015 reiste die Antragstellerin erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein und lebt seitdem bei ihrer Tochter, ihrem Schwiegersohn und ihrer Enkel.
Am 11. Januar 2016 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin die Gewährung von Sozialhilfe. Mit Bescheid vom 29. Februar 2016 und Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung von Sozialhilfe ab, da die Antragstellerin nur in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei, um Sozialhilfe zu erlangen und damit die Gewährung von Sozialhilfe gemäß § 23 Abs. 3 SGB XII ausgeschlossen sei.
Hiergegen hat die Antragstellerin am 23. Mai 2016 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Freiburg erhoben (Aktenzeichen S 4 SO 2132/16).
Zugleich hat die Antragstellerin am 23. Mai 2016 beim SG auch die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Zur Begründung hat ihr Bevollmächtigter vorgetragen, es sei nicht der ausschlaggebende Grund für die Einreise nach Deutschland gewesen, dass man gegebenenfalls Sozialhilfe habe erhalten können. Die Tochter der Antragstellerin habe sie auf jeden Fall nach Deutschland geholt - also auch ohne die Möglichkeit, Sozialhilfe zu beziehen -, da die Tochter gemerkt habe, dass die Antragstellerin in R. nach dem Tod des Ehemannes nicht mehr alleine zurechtgekommen sei. Gesundheitliche Probleme sowie das Gefühl des “Alleinseins„ seien das prägende Motiv für die Einreise nach Deutschland zu ihrer Tochter gewesen. Die Mittel der Antragstellerin seien ausreichend, sich zumindest an der Miete sowie an einem kleinen Teil der Haushaltskosten zu beteiligen. Ihre rumänische Rente reiche jedoch nicht, den soziokulturellen Lebensunterhalt zu decken.
Die Antragsgegnerin war dem entgegengetreten.
Mit Beschluss vom 1. Juni 2016 hat das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ebenso wie die beantragte Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Das SG war hierbei der Auffassung, dass letztlich im Rahmen der hier vorzunehmenden vorläufigen und summarischen Prüfung die Klage in der Hauptsache evident keine Aussicht auf Erfolg habe. Es dürfte nach Auffassung des SG nämlich der Ausschlussgrund nach § 23 Abs. 3 SGB XII vorliegen. Gemäß dieser Regelung hätten Ausländer, die eingereist seien, um Sozialhilfe zu erlangen, oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe, sowie ihre Familienangehörigen, keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Nach Auffassung des SG sei die Antragstellerin nämlich nach Deutschland eingereist, um Sozialhilfe zu erlangen. Nach der Rechtsprechung des BSG bedürfe es hierzu einer prägenden Finalität. Dass die 1945 geborene Antragstellerin zum Zwecke der Arbeitsuche e...