Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. fiktive Terminsgebühr. Begriff des "schriftlichen Vergleichs" iS von Nr 3106 S 1 Nr 1 Alt 2 RVG-VV
Orientierungssatz
Unter einem schriftlichen Vergleich im Sinne der Nr 3106 S 1 Nr 1 Alt 2 RVG-VV ist nur ein unter Mitwirkung des Gerichts geschlossener Vergleich nach § 101 Abs 1 S 2 SGG oder nach § 202 SGG iVm § 278 Abs 6 ZPO zu verstehen (so LSG Essen vom 4.1.2016 - L 10 SB 57/15 B; vom 8.10.2015 - L 6 AS 1863/14 und vom 11.3.2015 - L 9 AL 277/14 B = NZS 2015, 560; LSG München vom 22.5.2015 - L 15 SF 115/14 E = JurBüro 2015, 467; LSG Celle-Bremen vom 20.7.2015 - L 7/14 AS 64/14 B = ASR 2015, 253).
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das der Erinnerungsführerin nach ihrer Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Staatskasse (Erinnerungsgegner) zusteht.
Mit ihrer beim Sozialgericht Mannheim (SG) am 30.11.2012 erhobenen Klage (S 9 SO 3867/12) begehrte die Klägerin des Hauptsacheverfahrens die Übernahme von Umzugskosten. Mit Urteil vom 02.07.2013 wies das SG die Klage ab. Gegen dieses Urteil legte die Klägerin am 02.08.2013 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) ein (L 7 SO 3174/13). Mit Beschluss vom 19.12.2013 bewilligte das LSG der Klägerin PKH und ordnete die Erinnerungsführerin bei. Auf die Vorschussrechnung der Erinnerungsführerin vom 03.01.2014 zahlte das SG antragsgemäß einen Vorschuss in Höhe von 464,10 € an die Erinnerungsführerin aus. Das Berufungsverfahren endete durch einen außergerichtlichen Vergleich, mit dem der Beklagte sich verpflichtete, der Klägerin weitere 987,27 € zu zahlen und ein Drittel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Beteiligten erklärten mit diesem Vergleich das Berufungsverfahren für erledigt; dies wurde dem LSG am 11.04.2014 mitgeteilt. Mit Schreiben vom 21.07.2014, beim SG eingegangen am 22.07.2014, beantragte die Erinnerungsführerin die endgültige Festsetzung der Vergütung gegen die Staatskasse in Höhe von insgesamt 1.725,50 €.
Die Gebühren berechnete sie wie folgt:
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Verfahrensgebühr, Nr. 3204 VV RVG 520,00 € |
Einigungsgebühr, Nr. 1006, 3102 VV RVG 520,00 € |
fiktive Terminsgebühr, Nr. 3205 VV RVG 390,00 € |
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 € |
Zwischensumme:1.450,00 € |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 275,50 € |
Summe:1.725,50 € |
Die zuständige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte die Vergütung der Erinnerungsführerin mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 01.09.2014 auf 349,06 € fest. Dabei ging sie von einem leicht überdurchschnittlichen Umfang und einer leicht überdurchschnittlichen Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit aus und setzte die Verfahrensgebühr nach Nr. 3204 VV RVG auf 413,33 € fest. Die Einigungsgebühr sei in Höhe der Mittelgebühr (250,00 €) festzusetzen; eine fiktive Terminsgebühr sei nicht angefallen.
Es ergab sich damit folgende Kostenberechnung nach dem RVG:
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Verfahrensgebühr, Nr. 3204 VV RVG413,33 € |
Einigungsgebühr, Nr. 1006 VV RVG250,00 € |
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 € |
Zwischensumme:683,33 € |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG129,83 € |
Summe:813,16 € |
abzgl. Vorschuss464,10 € |
zu zahlender Betrag:349,06 € |
Gegen diese Festsetzung der PKH-Vergütung hat die Erinnerungsführerin am 18.09.2014 beim SG Erinnerung eingelegt. Mit Beschluss vom 16.04.2015 hat das SG die zu erstattende Vergütung auf insgesamt 1.261,40 festgesetzt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Verfahrensgebühr nach Nr. 3204 VV RVG sei, wie von der Erinnerungsführerin begehrt, mit 520,00 € zu bemessen. Die angemessene Gebühr belaufe sich zwar nur auf 473,33 €; die geltend gemachte Gebühr übersteige diesen Betrag jedoch nicht um 20 Prozent oder mehr. Im Ergebnis sei die Verfahrensgebühr deshalb in der geltend gemachten Höhe festzusetzen; das Gleiche gelte für die Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG. Eine fiktive Terminsgebühr sei hingegen nicht angefallen. Nr. 3106 Satz 2 Nr. 1 VV RVG finde auf außergerichtliche Vergleiche wie den vorliegenden keine Anwendung.
Das SG hat die Gebühren danach wie folgt berechnet:
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Verfahrensgebühr, Nr. 3204 VV RVG: 520,00 € |
Einigungsgebühr, Nr. 1007 VV RVG 520,00 € |
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 € |
Zwischensumme:1.040,00 € |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 201,40 € |
Summe:1.261,40 € |
Gegen diesen ihr gemäß Empfangsbekenntnis am 23.04.2015 zugestellten Beschluss richtet sich die am 29.04.2015 beim SG eingegangene Beschwerde der Erinnerungsführerin. Sie trägt vor, der beigeordnete Rechtsanwalt dürfe nicht allein deshalb schlechter gestellt werden, weil die Initiative zum Vergleichsschluss nicht vom Gericht, sondern von ihm selbst ausgegangen sei. Gerade ein solches Verhalten solle nämlich durch die fiktive Terminsgebühr honoriert werden. Deshalb sei auch beim Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs die Festsetzung einer fiktiven Terminsgebühr gerechtfertigt.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird...