Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergaberecht. Ausschreibung von Rabattverträgen zwischen Krankenkassen und Pharmaunternehmen. Krankenkasse kein Unternehmer nach EG-Recht. keine Rüge eines Verstoßes gegen §§ 19, 20 GWB im Vergaberechtsverfahren. gemeinsame Ausschreibung und gemeinsamer Abschluss von Rabattverträgen zulässig. keine Loslimitierung für die Auftragsvergabe. Zulässigkeit der Aufteilung des Bundesgebiets in fünf Regionallose. Anwendbarkeit der sog Lauer-Taxe. Wahl eines konkreten Stichtages. Durchführung der Ausschreibung ohne Berücksichtigung getroffener Produktionsentscheidungen. Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags. Zulässigkeit einer Rücknahme der sofortigen Beschwerde. Rücknahme der sofortigen Beschwerde. Gesetzeslücke. Beiladung. Beteiligter. Vergabekammer. Rabattvertrag. Wirkstoff. Öffentlicher Auftraggeber. Staatliche Finanzierung. Staatliche Aufsicht. Öffentlicher Lieferauftrag. Antragsbefugnis. Rügeobliegenheit. Patentstreitigkeit. Beschaffungsgemeinschaft. Krankenkassen. Wettbewerb. Marktbeherrschende Stellung. Ausschreibung. Exklusivität. Loslimitierung. Gebietslose. Bietergemeinschaft. Stichtag. Lauer-Taxe. Kleine und mittelständische Unternehmen. Sortimentsbreite. Preisvergleichsgruppe. Streitwert

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die gesetzlichen Krankenkassen handeln beim Abschluss von Rabattverträgen nach § 130a Abs 8 SGB 5 nicht als Unternehmen iS der Art 81 und 82 des EG-Vertrages (juris: EG).

2. Ein Verstoß gegen die §§ 19, 20 GWB kann im Vergaberechtsverfahren nicht gerügt werden. Die Ausschreibung stellt, sofern sie ohne Rechtsverstoß erfolgt, einen Ausgleich für eine ggf vorhandene wettbewerbsbeschränkende Nachfragemacht dar und beugt dem Missbrauch vor.

3. Die gemeinsame Ausschreibung und der gemeinsame Abschluss von Rabattverträgen nach § 130a Abs 8 SGB 5 sind den gesetzlichen Krankenkassen auch nicht durch Vorschriften des SGB 5 verwehrt.

4. Wenn sich der Auftraggeber entschließt, einen ausgeschriebenen Auftrag in Lose zu teilen, schreiben die Vorschriften des GWB ihm eine Loslimitierung für die Auftragsvergabe nicht vor; sie gestatten ihm allenfalls eine Selbstbindung dergestalt, dass er außer der Teilung des Auftrags in Lose von vornherein auch eine Loslimitierung pro Bieter vorgibt (Anschluss an OLG Düsseldorf vom 15.6.2000 - Verg 6/00 = NZBau 2000, 440).

5. Die von den Allgemeinen Ortskrankenkassen (Auftraggeberinnen) vorgenommene Aufteilung des Bundesgebiets in fünf Regionallose ist nicht zu beanstanden.

6. Mit der Bezugnahme auf die sog Lauer-Taxe, auf deren Datenbestand sie keinen Einfluss haben, bestimmen die gesetzlichen Krankenkassen auf nachvollziehbare und transparente Weise ihren Beschaffungsbedarf.

7. In der Wahl eines konkreten Stichtages (Stand der Lauer-Taxe) ist der Auftrageber nur insoweit Beschränkungen unterworfen, als es dadurch zu keiner Ungleichbehandlung der Wettbewerber iS des § 97 Abs 2 GWB kommen darf, die über diejenigen Härten hinausgeht, die mit jeder Festsetzung eines Stichtages typischerweise verbunden sind.

8. Ein pharmazeutischer Unternehmer hat keinen Anspruch darauf, dass eine Ausschreibung so durchgeführt wird, dass dadurch die von ihm getroffenen Produktionsentscheidungen möglichst optimal berücksichtigt werden.

9. Antragsteller eines Nachprüfungsverfahrens kann lediglich der (potentielle) Auftragnehmer sein. Demgemäß kann einen Nachprüfungsantrag nur derjenige stellen, der darlegt, er habe oder hätte sich bei ordnungsgemäßer Vergabe um den fraglichen Auftrag beworben (Anschluss an OLG Düsseldorf

vom 14.5.2008 - VII-Verg 27/08 0 = juris).

10. Nach § 107 Abs 3 S 1 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit der Antragsteller den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hat. Dabei muss eine Kenntnis des Antragstellers nachgewiesen sein (Anschluss an OLG Frankfurt vom 10.7.2007 - 11 Verg 5/07 = Juris).

11. Die Notwendigkeit einer Beiladung zum Beschwerdeverfahren beurteilt sich nach den §§ 119, 109 GWB, nicht nach § 75 SGG.

12. Die sofortige Beschwerde nach § 116 GWB ist keine Klage, sondern ein Rechtsbehelf eigener Art. Die Zulässigkeit einer Rücknahme der sofortigen Beschwerde beurteilt sich nach § 269 Abs 1 ZPO, der über § 202 SGG Anwendung findet. Dies bedeutet, dass die sofortige Beschwerde nach dem Beginn der mündlichen Verhandlung wirksam nur noch mit Zustimmung des Beschwerdegegners zurückgenommen werden kann.

 

Normenkette

SGB V §§ 53, 69, 129 Abs. 1 S. 3, § 130a Abs. 8, §§ 211a, 220 Abs. 1 S. 1, § 221 Abs. 1 S. 1; GWB §§ 19-21, 97 Abs. 2-3, § 98 Nr. 2, § 107 Abs. 2, 3 S. 1, §§ 109, 116 Abs. 1-2, § 119; SGG § 29 Abs. 5, §§ 75, 142a Abs. 1, 4, § 202; ZPO § 269 Abs. 1; GKG § 50 Abs. 2, § 52 Abs. 4; VOL/A § 2 Nr. 2, § 5 Nrn. 1-2, § 8 Nr. 1 Abs. 3; EGV Art. 81-82; Richtlinie 2004/18 EG Art. 1 Abs. 2

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Baden-Württemberg beim Regierungspräsidium Karlsruhe, 1 VK 52/08,...

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