Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Erstattungspflicht des Arbeitgebers. vorläufiger Rechtsschutz. Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Interessenabwägung. Eintreibung. Bankbürgschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Änderung von Beschlüssen betreffend die aufschiebende Wirkung nach § 128c AFG.
2. Die Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 128c AFG ist an denselben Maßstäben auszurichten, wie sie bei Entscheidungen nach §§ 97 SGG und 80 VwGO zugrunde gelegt werden.
3. An der Sicherstellung und Eintreibung der von der Bundesanstalt für Arbeit beanspruchbaren Einnahmen besteht ein erhebliches öffentliches Interesse. Eine Bankbürgschaft ist im Regelfall nicht ausreichend.
Tatbestand
Die Beklagte nahm die Klägerin in einer Reihe von Fällen nach § 128 AFG - auf Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) und der dazugehörigen Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung - in Anspruch. Die Widersprüche der Klägerin wies die Beklagte zurück. Die Klägerin hat jeweils Klage erhoben.
In dem hier vorliegenden Fall hat das SG ihre Klage mit Urteil vom 15.7.1996 abgewiesen (Az. S 7 Ar 292/96 - ihr zugestellt am 8.8.1996), die am 6.9.1996 eingegangene Berufung der Klägerin ist noch anhängig (Az. L 3 Ar 2671/96, seit 1.1.1997: L 5 Ar 2671/96).
In drei anderen Verfahren hat der zuständig gewordene 5. Senat die Berufungen am 2.10.1996 zurückgewiesen. In weiteren Fällen hat er auf Antrag der Beteiligten das Ruhen der Verfahren angeordnet. In dem hier vorliegenden Fall hat der Senat ebenfalls das Ruhen des Verfahrens angeregt; die Beklagte hat dies beantragt, die Stellungnahme der Klägerin steht aus.
Den an das SG gerichteten Antrag der Klägerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage anzuordnen, hat das SG mit Beschluß vom 22.5.1996 abgewiesen (Az. S 7 Ar 335/96 A). Ihrer Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat, hat der 3. Senat des LSG Bad.-Württ. mit Beschluß vom 26.8.1996 stattgegeben; er hat den SG-Beschluß aufgehoben und die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet (Az. L 3 Ar 2418/96 B). Zur Begründung hat er im wesentlichen darauf abgestellt, daß die Fragen des Arbeitgeberwechsels im Falle eines Betriebsüberganges gemäß § 613a BGB offen seien und der Klärung im Hauptsacheverfahren bedürften.
Mit Schriftsatz vom 6.9.1996 - eingegangen am selben Tag - hat die Beklagte bei dem 3. Senat des LSG beanstandet (Az. L 3 Ar 3597/96 eA-B; seit 1.1.1997: L 5 Ar 3597/96 eA-B), daß sie die Beschwerdeschrift erst am 22.8.1996 (vom LSG abgesandt am 21.8.1996) mit der Bitte um Stellungnahme - ohne konkrete Fristsetzung - erhalten und sie nicht schon mit einem Beschluß am 26.8.1996 gerechnet habe und auch nicht habe rechnen müssen. Das LSG müsse diesen Beschluß schon wegen dieses Gehörsverstoßes aufheben. Jedenfalls aber sei die Änderung des Beschlusses gemäß § 128c Abs. 2 Sätze 5 und 6 AFG veranlaßt. Mit Schriftsatz vom 11.11.1996 hat sie geltend gemacht, daß nunmehr der 5. Senat in seinen Urteilen vom 2.10.1996 entschieden habe, daß nicht ein bloßer Betriebsübergang gemäß § 613a BGB vorliege, sondern eine Universalsukzession durch Verschmelzung. Dadurch müsse sich die Klägerin zweifelsfrei die Zeiten zurechnen lassen, in denen der Arbeitnehmer bei dem früheren Betriebsinhaber beschäftigt gewesen sei. Mithin erweise sich der Beschluß vom 26.8.1996 nunmehr auch inhaltlich als erkennbar falsch. Er müsse aufgehoben werden.
Die Klägerin begehrt demgegenüber die Aufrechterhaltung des Beschlusses vom 26.8. 1996 (vgl. Schriftsatz LSG-Akten Az. L 3 Ar 2418/96 B Bl. 48 ff).
Zugunsten der Klägerin werden ergänzend die Ausführungen, die sie in den zahlreichen anderen beim LSG anhängigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorgebracht hat (in denen der Senat ebenfalls am 21.2. und 24.2.1997 entschieden hat), hier mitberücksichtigt. In jenen Verfahren hat sie sich unter anderem auf eine Beitreibungsverzichts-Erklärung des Arbeitsamts L berufen sowie darauf, daß die Berechtigung der Erstattungsforderungen zweifelhaft sei; ferner hat sie die Abgabe von Bürgschaftserklärungen angeboten.
Entscheidungsgründe
Die Beklagte hat insofern Erfolg, als die mit Beschluß des LSG Bad.-Württ. vom 26.8.1996 - L 3 2418/96 B - angeordnete aufschiebende Wirkung entfällt.
Die Notwendigkeit erneuter Prüfung und der neuen Entscheidung ergibt sich aus § 128c Abs. 2 Sätze 5 und 6 AFG. Hiernach können Beschlüsse über Anträge nach § 128c Abs. 2 Satz 1 AFG jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Dies ist insbesondere dann veranlaßt, wenn sich neue tatsächliche Umstände oder neue rechtliche Gesichtspunkte ergeben (zu solcher weiten Auslegung derartiger Regelungen siehe BVerfGE 70, 180, 188 f betr. § 80 Abs. 6 = heute § 80 Abs. 7 VwGO). Ein relevanter neuer rechtlicher Gesichtspunkt ergibt sich daraus, daß die Überprüfung in den am 2.10.1996 durch Urteil entschiedenen Verfahren ergeben hat, daß nicht ein bloßer Betriebsübergang gemäß § 613a BGB vorlag, sondern eine Universalsukzession durch Verschmelzung erfolgte (Urteile Az. L 5 Ar 566/96, 581/...