Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenkassenwahlrecht. Hinweis der Krankenkasse auf allgemeinen Beitragssatz ab 1.1.2009 ohne Information über kassenindividuelle Zusatzbeiträge bzw. Prämienzahlungen kein Verstoß gegen Wettbewerbsrecht. rechtzeitige Ausstellung der Kündigungsbestätigung

 

Orientierungssatz

1. Allein mit der in einem Schreiben der Krankenkasse angegebenen Aussage, mit Einführung des Gesundheitsfonds ab Januar 2009 hätten alle gesetzlich Versicherten den gleichen Beitrag zu zahlen, ohne gleichzeitig auf die Möglichkeit kassenindividueller Zusatzbeiträge bzw. Prämienzahlungen hinzuweisen, werden die Grenzen des Wettbewerbs zwischen den Krankenkassen nicht überschritten.

2. § 175 Abs 4 S 3 SGB 5 betrifft allein subjektive Rechte der Versicherten. Aus Sicht der gewählten Krankenkasse besteht hingegen kein schützenswertes Interesse an der rechtzeitigen Ausstellung der Kündigungsbestätigung, zumal die Frist für die Wahl und deren Nachweis im Rahmen des § 175 Abs 4 S 4 SGB 5 nicht gilt, wenn die gekündigte Krankenkasse durch die rechtswidrige Weigerung, eine Kündigungsbestätigung auszustellen, die Ursache dafür setzt, dass das Verfahren zum Wechsel der Krankenkasse nicht den im Gesetz vorausgesetzten Ablauf nehmen kann (vgl BSG vom 2.12.2004 - B 12 KR 23/04 R = SozR 4-2500 § 175 Nr 1).

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragstellerin von der Antragsgegnerin unter zusätzlicher Androhung ersatzweiser bzw. alternativer Ordnungshaft (neben dem bereits angedrohten Ordnungsgeld) die Unterlassung der Behauptung verlangen kann, dass mit Einführung des Gesundheitsfonds alle gesetzlich Versicherten den gleichen Beitrag zu zahlen haben, ohne auf die Möglichkeit kassenindividueller Zusatzbeiträge bzw. Prämienzahlungen hinzuweisen, und ob der Antragsgegnerin untersagt werden kann, künftig Kündigungsbestätigungen nach § 175 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) verspätet, d.h. infolge schuldhafter Verzögerungen, zu übersenden.

Bei den Beteiligten handelt es sich um zwei in Baden-Württemberg ansässige gesetzliche Krankenkassen. In der Vergangenheit kam es zwischen ihnen immer wieder zum Streit über die Frage, ob die Antragsgegnerin Kündigungsbestätigungen nach § 175 Abs. 4 Satz 3 SGB V verzögert. Die Antragstellerin vertrat die Auffassung, dass die Antragsgegnerin hierdurch einen Krankenkassenwechsel verhindern wolle. Vor diesem Hintergrund wandte sich die Antragstellerin mit Schreiben vom 30. November 2006 an das Ministerium für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg und trug vor, die Antragsgegnerin behindere durch die nicht fristgemäße Ausstellung der Kündigungsbestätigungen massiv den Wettbewerb. Die Antragsgegnerin teilte dem Ministerium unter dem 14. Februar 2007 mit, in der überwiegenden Anzahl der von der Antragstellerin vorgelegten Einzelfälle sei die Aufstellung faktisch nicht zu spät erfolgt, da teilweise ohne nähere Angaben zur Person eine Mitgliedschaft habe nicht festgestellt werden können und es auch zu einem Versand an veraltete Adressen gekommen sei. Im Übrigen sei es auch zu Verstößen anderer Kassen gekommen, wobei die Antragstellerin selbst das von den Spitzenverbänden erarbeitete Muster für eine korrekte Kündigungsbestätigung verändert habe. Man habe nunmehr umfangreiche Maßnahmen zur termingerechten Ausstellung von Kündigungsbestätigungen getroffen. Das Ministerium für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg teilte der Antragstellerin dies mit und bat zugleich darum, wettbewerbliche Streitigkeiten fortan von den beteiligten Parteien selbst zu lösen (Schreiben vom 12. März 2007).

Im Schreiben vom 04. April 2008 an ein (ehemaliges) Mitglied der Antragsgegnerin, das seine Kündigung erklärt hatte, bot der Leiter des “AOK-KundenCenter B.„ dem Mitglied ein persönliches Gespräch zur Information über weitere Vorteile neben dem Bonusprogramm für Mitglieder, die wenig Leistungen in Anspruch nähmen, an und führte weiter u. a. aus:

“Wie Sie sicher aus der Presse bzw. Fernsehen erfahren haben, wurde inzwischen die neue Gesundheitsreform verabschiedet. Unter anderem wird auch der Gesundheitsfond im Jahre 2009 eingeführt, das heißt: alle gesetzlich Versicherten zahlen den gleichen Beitrag - egal bei welcher Krankenkasse Sie versichert sind. (Hervorhebung im Original)

Unter diesen Gesichtspunkten ist ein Wechsel der Krankenkasse unbedingt noch einmal zu überlegen.

In der Anlage erhalten Sie vorab eine Kündigungsbestätigung. (…)

Vielleicht nehmen Sie mein Angebot für ein persönliches Gespräch an …„

Mit Schreiben vom 23. April 2008 forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin auf, zwei Unterlassungserklärungen zu unterschreiben, mit denen sich die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin verpflichten sollte, zum einen es künftig zu unterlassen, Kündigungsbestätigungen nach § 175 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 175 Abs. 4 Satz 4 (gemeint Satz 3) SGB V verspätet, d. h. infolge schuldhafter Verzögerungen zu übersenden, sowie zum anderen es künftig zu unterlassen, zu behaupte...

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