Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen Todes aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Witwenrente. widerlegbare Vermutung. Versorgungsehe. kurze Ehedauer. Versorgungsabsicht. lebensbedrohliche Erkrankung. erneute Eheschließung kurz nach Scheidung einer gemeinsamen langjährigen Ehe
Orientierungssatz
1. Zum der Begriff der "besonderen Umstände" iS von § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB 6 (vgl BSG vom 5.5.2009 - B 13 R 55/08 R = BSGE 103, 99 = SozR 4-2600 § 46 Nr 6).
2. Zur Widerlegung und Bestätigung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe iS des § 46 Abs 2a SGB 6, wenn der verstorbene Versicherte an einer lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten hat, die Ehegatten vor der Eheschließung bereits schon einmal langjährig miteinander verheiratet waren und die erneute Ehe kurz nach der rechtskräftigen Scheidung geschlossen wurde.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18.12.2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I. Im Streit steht die Gewährung einer Witwenrente aus der Versicherung des verstorbenen P. V. (im Folgenden: Versicherter).
Die 1950 geborene Klägerin heiratete den 1940 geborenen Versicherten (erstmals) am 28.09.1979. Die Eheleute lebten bis Ende des Jahres 2014 im im Alleineigentum des Versicherten stehenden Wohnhaus mit der Anschrift „I. W.“ in R. Aus der Ehe sind drei Kinder (A. M. S., geb. 01.09.1979, P. S., geb1981 und P. M. P., geb. 1986) hervorgegangen. Der Versicherte hatte darüber hinaus drei und die Klägerin zwei weitere Kinder mit in die Ehe gebracht. Seit dem Jahr 2000 stand der Versicherte im Rentenbezug und verfügte daneben noch über Mieteinkünfte. Die Klägerin war bis zum 31.12.2015 als Reinigungskraft bei der Volkshochschule R. angestellt. Seit dem 01.01.2016 bezieht sie Altersrente (823,09 € netto; Stand 04/2016), eine Betriebsrente (monatlich 136,95 €; Stand 04/2016) sowie eine Zusatzrente (Riester-Rente von monatlich 23,42 €; Stand 04/2016).
Auf Antrag des Versicherten vom 06.05.2014 wurde mit Beschluss des Amtsgerichts R. vom 06.10.2014 (… F 4…./14) dem Versicherten die Ehewohnung „I. W.“ zur alleinigen Nutzung zugewiesen und der Klägerin eine Herausgabe- und Räumungsfrist bis zum 06.01.2015 gesetzt. Vorausgegangen waren dabei verbale und tätliche Auseinandersetzungen, in deren Verlauf mehrfach die Polizei hinzugezogen werden musste. Nachdem weitere Übergriffe mit Tätlichkeiten und verbalen Verletzungen drohten, wurde dem Versicherten - nicht zuletzt unter Gewaltschutzgesichtspunkten - die Einleitung eines Zuweisungsverfahrens empfohlen, was dieser dann schließlich auch getan hatte. Dementsprechend bewohnte die Klägerin ab dem 01.01.2015 eine von der Volkshochschule R. angemietete Wohnung „I. W.“ in R.
Am 03.03.2015 beantragte der Versicherte die Scheidung der Ehe mit der Klägerin. Mit Beschluss des Amtsgerichts R. vom 19.01.2016 (… F 2…/15) wurde die Ehe geschieden. Der Versicherte und die Klägerin hätten spätestens seit Anfang 2015 getrennt gelebt. Angesichts der außerehelichen Beziehung des Versicherten sei auch nicht zu erwarten, dass die Ehe wiederhergestellt werden könne. Auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs wurde von den Eheleuten wechselseitig verzichtet. Die Ehescheidung wurde am 23.02.2016 rechtskräftig.
Vom 18.03.2016 bis zum 06.04.2016 befand sich der Versicherte in stationärer Behandlung der Kreiskliniken R. Die Einlieferung erfolgte aufgrund starker Atemnot mittels Notarzt. Im Entlassungsbericht vom 06.04.2016 sind folgende Diagnosen angeführt:
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1. Kardiale Dekompensation bei mäßig bis beginnend hochgradig reduzierter linksventrikulärer Pumpfunktion |
2. Tachyarrhythmia absoluta bei Vorhofflimmern |
3. Diastolische Funktionsstörung Grad III |
4. Acute-on-chronic Nierenversagen |
5. Makrozytäre hyperchrome Anämie |
6. Kardiovaskuläre Risikofaktoren: Adipositas, arterielle Hypertonie. |
Während des stationären Krankenhausaufenthaltes wurde die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten am 22.03.2016 erneut standesamtlich in den Räumlichkeiten des Klinikums geschlossen.
Am 22.04.2016 wurde der Versicherte erneut stationär in den Kreiskliniken R. aufgenommen. Am 12.05.2016 verstarb der Versicherte an den Folgen eines Schlaganfalles. Dem Entlassungsbericht vom 12.05.2016 sind folgende Diagnosen zu entnehmen:
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1. Exitus letalis bei zerebraler Ischämie im Mediastromgebiet rechts |
2. Kardiovaskuläre Risikofaktoren: Arterielle Hypertonie, Adipositas |
3. Vorhofflimmern |
4. Zustand nach kardialer Dekompensation bei hochgradig reduzierter linksventrikulärer Pumpfunktion (März 2016) |
5. Diastolische Funktionsstörung Grad III |
6. Acute-on-chronic Nierenversagen Stadium 4 |
7. Sekundärer Hyperparathyreoidismus |
8. Makrozytäre hyperchrome Anämie |
Am 19.05.2016 stellte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung einer Witwenrente.
Der sozialmedizinische Dienst der Beklagten führte in seiner Stellungnahme vom 13.07.2016 aus, das...