Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer in den ersten drei Monaten des Aufenthalts auch bei Ehegattennachzug. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

Der Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 2 verletzt nicht Art 6 Abs 1 GG. Dieser gewährleistet keinen grundrechtlich verbürgten Anspruch darauf, dem zuziehenden ausländischen Ehepartner, der seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Kräften bestreiten kann, vom ersten Tag seiner Einreise an einen Zugang zu staatlichen Sozialleistungen zu eröffnen.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. März 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die form- und fristgerecht (§ 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Beschwerde ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht Stuttgart (SG) hat den Antrag des Antragstellers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt.

Das SG hat die prozessuale Grundlage des im vorläufigen Rechtsschutz verfolgten Begehrens, § 86b Abs. 2 SGG, zutreffend dargestellt. Es ist in Anwendung der dortigen Voraussetzungen in nicht zu beanstandender Weise zu der Entscheidung gelangt, dass der Antragsteller für die Zeit vor der gerichtlichen Geltendmachung seines Begehrens, dem 04.03.2011, keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat. Ferner ist die Entscheidung, dass auch für die Zeit ab dem 04.03.2011 die beantragte einstweilige Anordnung nicht zu erlassen ist, zutreffend. Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, vor dem 23.04.2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu erhalten. Der Antragsteller ist irakischer Staatsangehöriger und weder als Arbeitnehmer oder Selbständiger tätig noch nach § 2 Abs. 3 Freizügigkeitsgesetz/EU freizügigkeitsberechtigt. Er war deswegen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II in den ersten drei Monaten seines Aufenthalts, d.h. bis zum 23.04.2011, von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Da der Antragsteller im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ist, diese im Hinblick auf die Ehe mit seiner deutschen Ehegattin und nicht aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Härtegründen erteilt wurde, kann er sich auch nicht auf § 7 Abs. 1 Satz 3 SGB II und die dortige Rückausnahme von dem generellen Leistungsausschluss berufen.

Der Senat verweist zur (weiteren) Begründung seiner Entscheidung auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG) und sieht von einer Begründung seiner Entscheidung ab. Insb. sieht der Senat, wie auch das SG, durch den Leistungsausschluss keine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) bedingt. Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistet keinen grundrechtlich verbürgten Anspruch darauf, dem zuziehenden ausländischen Ehepartner, der seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Kräften bestreiten kann, vom ersten Tag seiner Einreise an einen Zugang zu staatlichen Sozialleistungen zu eröffnen. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, die Ehe eines zu einem deutschen Ehepartner zuziehenden Ausländers im Bundesgebiet durch die Gewährung von Fürsorgeleistungen vom ersten Tag des Zuzuges an zu ermöglichen (Bundesverfassungsgericht, Urteil 28.02.2007 - 1 BvL 5/03 -; Urteil vom 12.02.2003 - 1 BvR 624/01- jeweils veröffentlicht in juris).

Im Hinblick auf die Beschwerdebegründung ist eine abweichende Beurteilung nicht bedingt. Soweit der Antragsteller sein Begehren unter Hinweis auf die Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit dadurch als begründet ansieht, dass ein Aufenthaltstitel der Bezugsperson nach dem 5. Abschnitt des AufenthG den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II nicht nachsichziehe (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 3 SGB II), diese Wirkung auch Familienangehörige erfasse, die - wie er - einen Aufenthaltstitel nach dem 6. Abschnitt des AufenthG haben, verkennt dies, worauf der Antragsgegner zutreffend hingewiesen hat, dass er nicht in den Genuss dieser akzessorischen Folge kommen kann, da der Aufenthalt seiner Bezugsperson, seine Ehegattin, nicht auf einem Aufenthaltstitel nach dem 5. Abschnitt des AufenthG, sondern auf ihrer deutschen Staatsangehörigkeit beruht.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2705320

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