Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Ordnungsgeld. Verfahrenseinstellung und Kostenentscheidung bei Tod des beschwerdeführenden Klägers im Beschwerdeverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verstirbt der im Erörterungstermin unentschuldigt nicht erschienene Kläger, bevor über seine Beschwerde gegen die Festsetzung von Ordnungsmitteln abschließend entschieden ist, so ist die angefochtene Festsetzung gegenstandslos und das Ordnungsmittelverfahren durch Beschluss einzustellen (Fortführung von BFH vom 7.3.2007 - X B 76/06 = BFHE 216, 500).

2. Da es sich bei dem Beschwerdeverfahren nach § 172 Abs 1 iVm § 202 SGG und §§ 141 Abs 3, 380 ZPO um ein selbstständiges Zwischenverfahren handelt, ist gem § 193 Abs 1 SGG auch über die Kosten dieses Verfahrens zu entscheiden. Kostenschuldner kann bei erfolgreicher Beschwerde nur die Staatskasse sein.

 

Tenor

Das gegen den Kläger gerichtete Ordnungsmittelverfahren wird eingestellt.

Die Staatskasse hat dem Kläger ein Viertel der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

Das gegen den während des Beschwerdeverfahrens am 22. August 2011 verstorbenen Kläger eingeleitete Verfahren zur Festsetzung von Ordnungsmitteln war in entsprechender Anwendung des § 46 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) i. V. m. § 206a Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO) durch förmlichen Beschluss einzustellen. Der vor dem rechtskräftigen Verfahrensabschluss eingetretene Tod des Klägers ist ein Verfahrenshindernis, das der Verhängung der in § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. §§ 141 Abs. 3, 380, 381 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) vorgesehenen Rechtsnachteile gegen den unentschuldigt im Termin ausgebliebenen Beteiligten insgesamt entgegensteht.

Wie der Bundesfinanzhof (BFH) zur Verhängung eines Ordnungsgeldes gemäß § 380 Abs. 1 Satz 2 ZPO gegen eine während des Beschwerdeverfahrens verstorbene Zeugin entschieden hat (Beschluss vom 7. März 2007 - X B 76/06 - ≪juris≫), folge aus der zugleich präventiven und repressiven Rechtsnatur, dass sowohl Ordnungsgeld als auch Ordnungshaft gegen einen zwischenzeitlich verstorbenen Zeugen nicht mehr rechtskräftig verhängt werden dürften. Habe das Gericht den Zeugen noch zu dessen Lebzeiten mit Ordnungsmitteln belegt und sei die Festsetzung mit Rechtsmitteln angefochten worden, so sei das Beschwerdegericht durch den Tod des Zeugen selbst dann an einer die Festsetzung bestätigenden Entscheidung gehindert, wenn das Ordnungsgeld mangels rechtzeitiger und genügender Entschuldigung festgesetzt worden sei und Entschuldigungsgründe i.S. des § 381 Abs. 1 Satz 3 ZPO im Beschwerdeverfahren nicht vorgebracht würden. Ferner gelte sowohl für die Verfolgung von Straftaten als auch für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten, dass das Ziel des bereits eingeleiteten Straf- bzw. des Bußgeldverfahrens, eine Entscheidung über die Bestrafung oder Nichtbestrafung herbeizuführen, mit dem Tod des Angeklagten bzw. des Betroffenen nicht mehr erreicht werden kann. Aus diesem Grund sei das Verfahren in Ermangelung einer unerlässlichen Voraussetzung für seine weitere Durchführung vom Rechtsmittelgericht wegen eines Verfahrenshindernisses nach § 206a StPO (gegebenenfalls i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG) selbst dann einzustellen, wenn erstinstanzlich bereits eine Verurteilung erfolgt sei (Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 8. Juni 1999 - 4 StR 595/97 -, BGHSt 45, 108 und vom 5. August 1999 - 4 StR 640/98 -, Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht 1999, Seite 426; Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 54. Auflage 2011, § 206a Rdnr 8; Göhler/Seitz, Ordnungswidrigkeitengesetz, 14. Auflage 2006, Vor § 67 Rz 21). Die genannten Grundsätze seien auf die Festsetzung der für die Verletzung verfahrensrechtlicher Mitwirkungspflichten angedrohten Rechtsnachteile entsprechend anzuwenden. Die prozessualen Ordnungsverstöße seien dem Ordnungswidrigkeitenrecht wesensverwandt. Zwischen der Verhängung eines Bußgeldes und der Belegung mit einem Ordnungsgeld bestünden daher keine durchgreifenden Unterschiede, die es rechtfertigen würden, die Festsetzung des Ordnungsgeldes trotz eingelegter Beschwerde bestehen zu lassen, obwohl sie als Sanktion lediglich die Erben des Ordnungspflichtigen treffen würde, die an dem Ordnungsverstoß kein eigenes Verschulden treffe.

Der Senat hält diese Entscheidung nach eigener Prüfung für überzeugend und überträgt sie auf die vorliegende Konstellation, in der die Verhängung des Ordnungsgeldes aufgrund der über § 202 SGG i.Vm. § 141 Abs. 3 ZPO angeordneten Geltung des § 380 ZPO den Kläger (und nicht einen Zeugen) als Ordnungspflichtigen trifft. Denn die rechtliche Ausgangslage ist in beiden Fällen vergleichbar, weil zum einen die der Sanktion zugrunde liegende Rechtsnorm (§ 380 ZPO) identisch ist. Zum anderen entfällt nach dem Tod des ordnungspflichtigen Klägers ähnlich wie beim Tod des ordnungspflichtigen Zeugen der präventive Charakter des Ordnungsmittels, vorbeugend Druck auszuüben, im weiteren Prozess zur Sachverhaltsaufklä...

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