Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Vermögenseinsatz. Rückforderungsanspruch wegen Verarmung des Schenkers. Ausschluss des Rückforderungsanspruchs nach § 529 Abs 1 Alt 1 BGB nur bei schutzwürdigem Vertrauen des Beschenkten. Anstandsschenkung. Überweisung von 25.000 Euro an ein Kind anlässlich seiner Hochzeit
Leitsatz (amtlich)
Vermögen im Sinne des § 90 Abs 1 SGB XII kann auch ein Schenkungsrückforderungsanspruch nach § 528 Abs 1 BGB sein.
Orientierungssatz
1. Der Beschenkte kann sich nach Sinn und Zweck des § 529 Abs 1 Alt 1 BGB nicht auf den Ausschluss des Rückgabeanspruchs berufen, wenn die Bedürftigkeit bereits durch die Schenkung selbst verursacht wurde und ihm dies bekannt sein musste. In einem solchen Fall ist sein Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit der Schenkung nicht als schutzwürdig anzusehen.
2. Anstandsgeschenke im Sinne des § 534 BGB müssen sich im angemessenen Rahmen halten und der Leistungsfähigkeit des Schenkers entsprechen. Dieses Maß ist bei einem Betrag in Höhe von 25.000 Euro in jedem Fall überschritten.
Tenor
Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 19. November 2013 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Kläger begehren die Gewährung von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, hilfsweise Hilfe zum Lebensunterhalt, nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) ab Oktober 2010. Streitig ist, ob sie hilfebedürftig sind.
Der Kläger zu 1 ist 1949 geboren. Er bezog seit dem 1. April 2001 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer und bezieht seit dem 1. Juli 2014 eine Regelaltersrente. Bei ihm ist seit dem 1. Oktober 2001 eine Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung von 100 anerkannt. Die mit dem Kläger zu 1 verheiratete Klägerin zu 2 ist 1950 geboren und bezieht inzwischen eine Altersrente. Zeitweise gingen und gehen die Kläger geringfügigen Beschäftigungen nach. Die Kläger sind die Eltern der 1980 geborenen Tochter Y., der am 1983 geborenen Tochter I. sowie einer Tochter S..
Durch notariellen Vertrag vom 10. Mai 2010 verkauften die Kläger ihr im Jahr 1991 angeschafftes und bis dahin teilweise selbst genutztes, teilweise vermietetes Hausgrundstück E. S. in S., ein Mehrfamilienhaus mit drei Wohnungen, zu einem Preis von 200.000,00 €. Von den Käufern des Hauses mieteten sie anschließend ab dem 1. Juni 2010 eine im verkauften Haus befindliche Wohnung mit einer Größe von 72 m² zu einem Mietzins von 450,00 € (so der Mietvertrag vom 17. Mai 2010) bzw. 400,00 € (so die Bescheinigung der Vermieterin vom 28. September 2010 und die Höhe des aus den vorgelegten Kontoauszügen ersichtliche Dauerauftrages im August 2010) zuzüglich 160,00 € Nebenkosten (einschließlich Heizkostenvorauszahlung). Seit dem 1. März 2012 bewohnen die Kläger eine andere Wohnung in S., für die sie eine monatliche Gesamtmiete von 478,00 € zu entrichten haben.
Am 31. Mai 2010 wurde dem gemeinsamen Konto der Kläger aus dem Immobilienverkauf nach Ablösung der Bankverbindlichkeiten ein Betrag von 76.438,83 € gutgeschrieben. Am 1. Juni 2010 hoben die Kläger 42.000,00 € von diesem Konto bar ab und überwiesen weitere 25.000,00 € an ihre Tochter Y. mit dem Verwendungszweck “Rückzahlung Darlehen„. Am 4. und 7. Juni 2010 nahmen die Kläger Automaten- und Kassenabhebungen über insgesamt 4.300,00 € vor.
Vom 19. Juni 2010 bis zum 26. Oktober 2010 hielten sich die Kläger in der T. auf; in dieser Zeit heiratete die Tochter Y.. Nach Angaben des Klägers zu 1 hat er diese Hochzeit “veranstaltet„ (undatiertes, bei dem Beklagten am 8. November 2010 eingegangenes Schreiben).
Am 4. Oktober 2010 gingen bei dem Beklagten auf den 2. September 2010 datierte Anträge der Kläger auf Gewährung von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ein. Die Rente sowie der Mietanteil ihrer Töchter reiche nicht zur Sicherung des Lebensunterhaltes aus. Sie hätten das Haus verkaufen müssen, da sie Schulden bei Bekannten wegen Renovierungskosten gemacht und von Banken keine Kredite mehr erhalten hätten. Vermögen hätten sie keines mehr. Mit dem durch den Hausverkauf erlösten Kaufpreis seien die Schulden bezahlt worden. In der Folge legten die Kläger einen mit der Sparkasse S.-R. geschlossenen Darlehensvertrag über 121.000,00 € vom 3. November 2008 mit einer Tilgungsrate von 3,434 Prozent sowie diverse private “Darlehensverträge„ und Bestätigungen vor, nämlich
- einen maschinenschriftlichen “Darlehensvertrag„ vom 8. Oktober 2007 über 15.000,00 € mit den Klägern als Darlehensgebern im Vertragstext und als Darlehensnehmern im Unterschriftenbereich und dem Ehepaar T. als Darlehensnehmern im Vertragstext und als Darlehensgebern im Unterschriftenbereich; das Geld sei am selben Tag bar übergeben worden,
- eine handschriftliche, undatierte Bestätigung der Y. A. (wohnhaft in F. a. M.), wonach der Kläger zu 1 ihr seit dem 2. März 2008 18.000 € schulde,
- eine handschriftliche, undatierte Bestät...