Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenerstattung. Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a SGB 5 auf Leistungskatalog der GKV beschränkt. Medizinal-Cannabisblüten zur Behandlung von Morbus Crohn
Leitsatz (amtlich)
Die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a SGB V greift nur ein, wenn sich der Antrag des Versicherten auf Leistungen bezieht, die grundsätzlich zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehören, von den Krankenkassen also allgemein als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen sind.
Orientierungssatz
Zur Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten zur Behandlung von Morbus Crohn.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27. August 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Erstattung von Kosten für die Behandlung mit Medizinal-Cannabisblüten in Höhe von € 11.218,66 sowie die zukünftige Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten zur Behandlung von Morbus Crohn.
Der Kläger ist am 1978 geboren und bei der Beklagten krankenversichert. Ihm wurde die Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 Betäubungmittelgesetz (BtMG) zum Erwerb von Cannabis (medizinal-Cannabisblüten) erteilt. Mit Schreiben vom 5. September 2013 beantragte der Kläger die Kostenübernahme für das Medikament Cannabis flos Bedrocan bei der Beklagten. Er legte ein Schreiben des Facharztes für Anästhesiologie und spezielle Schmerztherapie Dr. Sc. (Poliklinik E.) vom 21. August 2013 vor. Danach leidet der Kläger seit 2008 an einer schweren Form des Morbus Crohn. Die schulmedizinische Behandlung sei in einer renommierten M. Praxis für Gastroenterologie (Dres. H. und F.) erfolgt. Alle praktizierten schulmedizinischen Behandlungsversuche seien bislang fehlgeschlagen. Azathioprin löse eine Pankreatitis aus. Eine Behandlung mit Methotrexat sei wegen Erfolglosigkeit abgebrochen worden. Humira sei nach längerfristigem Einsatz nicht wirksam gewesen. Bezüglich Remicade sehe er bei noch nicht abgeschlossener Familienplanung Bedenken. Außerdem sei eine erfolgreiche Wirkung des TNF-Antikörpers bei Versagen von Humira in aller Regel nicht zu erwarten. Nur durch Konsum von Cannabisblüten könne der Kläger einigermaßen Lebensqualität erreichen. Es gehe vor allem um die appetitanregende und antispastische Wirkung der Alkaloide. Bei Krankheitsschüben stünden die Tenesmen, der Ekel vor dem Essen und zahlreiche schmerzhafte Stuhlabgänge im Vordergrund. Ein wichtiger Aspekt sei die Erhaltung der Arbeitskraft. Die gute Cannabiswirksamkeit im speziellen Fall des Klägers sei nachzuvollziehen. Es gehe um Lebensqualität und um die Erhaltung der Arbeitskraft.
Auf Anfrage der Beklagten teilte Dr. P. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Bayern unter dem 14. November 2013 mit, dass aus den übersandten Unterlagen nicht hervorgehe, dass der Kläger gastroenterologisch ausbehandelt wäre. Empfohlen werde eine Mitbehandlung in einer gastroenterologischen Ambulanz einer Universitätsklinik oder eines größeren Lehrkrankenhauses. Cannabis-Alkaloide seien in der beantragten Anwendungsform indikationsbezogen nicht zugelassen. Es liege kein Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) vor, gemäß dem Cannabis-Alkaloide in dem nicht zugelassenen Anwendungsgebiet (Off-Label-Use) im Rahmen der Anlage 6 der Arzneimittelrichtlinien (AMR) verordnungsfähig seien. Eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufene Erkrankung liege nicht vor; der Eintritt einer irreversiblen schwerwiegenden Behinderung bestehe nicht. Die Lebensqualität werde möglicherweise auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt. Eine seltene nicht erforschbare Krankheit liege nicht vor.
Mit Bescheid vom 14. November 2013 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für das Medikament Flos Bedrocan ab. Dieses Arzneimittel sei in Deutschland und auch in der gesamten Europäischen Union nicht zugelassen, könne daher nur in besonderen Ausnahmefällen verordnet werden. Eine Kostenübernahme für nur im Ausland zugelassene Arzneimittel sei grundsätzlich - vor allem wegen der arzneimittelrechtlichen Zulassung und möglicher Gesundheitsrisiken - nicht möglich. Eine Ausnahmesituation im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) oder des Bundessozialgerichts (BSG) liege nicht vor. Aus der eingeholten Stellungnahme des MDK gehe hervor, dass es für den Kläger vertragliche Behandlungsalternativen gebe. Der MDK empfehle die Mitbehandlung in einer gastroenterologischen Ambulanz. Eventuell wäre auch eine Rehabilitationsmaßnahme oder Ernährungsberatung indiziert. Außerdem stünden vertragliche Arzneimittel wie z.B. Prednison zur Verfügung.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 1. Dezember 2013 Widerspruch. Alle schulmedizinischen Therapien seien ohne Erfolg getestet worden. Einzig Remicade lehne er wegen möglicher Genveränderung im Hinblick auf eine nicht abgeschlossene Familienplanung ab. Es gebe zahlreiche Studien zur Wirksamkeit von Cannabis. Die Beklagte trage o...