Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Unionsbürger. Anwendung auch bei Nichtvorliegen eines materiellen Aufenthaltsrechts. verfassungskonforme Auslegung
Leitsatz (amtlich)
Von dem Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 sind auch EU-Bürger, bei denen ein Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitsuche nicht bestanden hat oder fortgefallen ist und kein anderes materielles Aufenthaltsrecht feststellbar ist, mit umfasst.
Tenor
Die Beschwerden des Antragstellers gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Freiburg vom 18.05.2015 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Seine Beschwerden richten sich gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Freiburg (SG) vom 18.05.2015, mit denen dieses seine Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz und Prozesskostenhilfe abgelehnt hat.
Der 1960 geborene Antragsteller besitzt die slowakische Staatsangehörigkeit. Nach seinen Angaben im Rahmen einer Betreuungsbegutachtung (Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie E. vom 11.06.2013, Bl. 12 Senatsakte) hat er zuvor in der Schweiz gelebt und einige Zeit in Zürich bei der C. als Tellerwäscher gearbeitet. Etwa im Jahr 2010 habe er einen Verkehrsunfall in B. erlitten und sei dann von der Schweizer Polizei nach Deutschland abgeschoben worden. Er hat angegeben, sich seit 2012 dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland aufzuhalten. Gegenwärtig bewohnt er ein Zimmer in einem Obdachlosenheim in F..
Der Antragsteller besuchte ausweislich des Betreuungsgutachtens keine Schule und absolvierte auch keine Ausbildung. Er ist Analphabet. Der Psychiater E. beschrieb ihn als von der Straße gekennzeichnet, ungepflegt mit sanierungsbedürftigen Zähnen, röchelnd und hustend, mit einer undeutlichen Stimme. Im Rahmen der Begutachtung hat der Antragsteller eingeräumt, täglich eine Flasche Schnaps oder Wodka zu trinken. Der Psychiater E. diagnostizierte psychische und Verhaltensstörungen durch Konsum von Alkohol, einen Verdacht auf chronische Pharyngitis bzw. Raumforderung im Larynx bzw. Pharynx. Er regte die Anordnung einer Betreuung an. Gemäß dem im SG-Verfahren vorgelegten Betreuerausweis, ausgestellt am 20.10.2014 vom Amtsgericht Freiburg (Az. 131 XVII 341/13), wird der Antragsteller u.a. in Behördenangelegenheiten sowie gegenüber Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern von einem Berufsbetreuer gerichtlich und außergerichtlich vertreten.
Erstmals aktenkundig bei der Beschwerdegegnerin Ziff. 2 wurde der Antragsteller im November 2012, wo unter anderem ein Patientenbeförderungsschein über einen Transport in das F. Krankenhaus im September2012 vorgelegt wurde.
Seit 2013 bezog der Antragsteller nach seinen Angaben mit Unterbrechungen Leistungen vom Antragsgegner Ziff. 1, welche dieser letztmals mit Bescheid vom 22.11.2014 für den Zeitraum vom 01.10.2014 bis 31.03.2015 bewilligte.
Einen Weiterbewilligungsantrag des Antragstellers vom 13.03.2015 lehnte der Antragsgegner Ziff. 1 mit Bescheid vom 26.03.2015 mit der Begründung ab, dass der Antragsteller als slowakischer Staatsangehöriger, der weder Arbeitnehmer noch selbständig erwerbstätig sei, die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 7 Abs. 1 SGB II nicht erfülle. Hiergegen legte er am 24.04.2015 Widerspruch ein. Diesen hat der Antragsgegner Ziff. 1 zwischenzeitlich mit Widerspruchsbescheid vom 12.06.2015 zurückgewiesen.
Mit Schreiben vom 28.04.2015 (Eingang beim Antragsgegner am 29.04.2015) beantragte das Zentrum für Psychiatrie E. anlässlich eines Aufenthalts des Antragstellers dort beim Antragsgegner Ziff. 1 ab dem 21.04.2015 in dessen Namen vorsorglich Leistungen nach dem SGB II ab dem Aufnahmetag.
Am 06.05.2015 hat der Antragsteller beim SG die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Begehren beantragt, ihm ab Antragseingang bei Gericht bis zum 30.09.2015 - längstens bis zum Eintritt der Bestandskraft des Bescheides vom 26.03.2015 - im Wege einer Folgenabwägung vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zuzusprechen, da er grundsätzlich die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 SGB II erfülle. Er habe die Altersgrenze des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II nicht erreicht, verfüge nicht über Einkommen und Vermögen, sei also hilfebedürftig, und habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Freiburg. Solange keine Feststellungen zur Erwerbsfähigkeit getroffen worden seien, sei nach § 44a Abs. 1 SGB II von der Erwerbsfähigkeit des Antragstellers auszugehen. Die R...