Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. keine Kostenerstattung für eine Liposuktion. keine Genehmigungsfiktion bei fehlendem Sach- oder Dienstleistungsanspruch. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 1 KR 33/17 R
Orientierungssatz
1. Der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch. Er setzt voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl BSG vom 28.2.2008 - B 1 KR 16/07 R = BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9 und vom 7.5.2013 - B 1 KR 44/12 R = BSGE 113, 241 = SozR 4-2500 § 13 Nr 29).
2. Liposuktionen sind nicht vom Sachleistungsanspruch gegen die Krankenkassen umfasst.
3. § 13 Abs 3a SGB 5 greift nicht bei jeglichen Leistungsanträgen ein, sondern nur dann, wenn sich der Antrag auf Leistungen bezieht, die grundsätzlich zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehören, von den Krankenkassen also allgemein als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen ist (vgl in diesem Sinne auch BSG vom 8.3.2016 - B 1 KR 25/15 R = BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33 Rn 26, wo darauf abgestellt wird, dass die dort begehrte Therapie nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenversicherung liegt).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt (zuletzt) die Erstattung der Kosten für ambulant durchgeführte Liposuktionen in Höhe von insgesamt € 13.111,55.
Die Klägerin ist am 1989 geboren und bei der Beklagten krankenversichert. Sie leidet an einem Lipödem Stadium II der Extremitäten sowie einer heterozygoten Faktor-V-Leiden-Mutation mit Zustand nach Lungenembolie im August 2015.
Am 29. September 2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für Liposuktionen an beiden Beinen und Armen. Seit der Diagnose des Lipödems im Mai 2015 nutze sie Kompressionskleidung und nehme Lymphdrainage in Anspruch. Obwohl sie auf ihre Ernährung achte und wegen ihrer Blutgerinnungsstörung viel Sport treibe, würden ihre Beine und Arme immer dicker. Durch die konservativen Methoden könnten zwar die Schmerzen zeitweise gelindert werden. Das Wachstum der Fettmassen könne aber nicht gestoppt werden. Diese beeinträchtigten sie zunehmend in ihrer Mobilität. Ihrem Antrag fügte die Klägerin ein “fachärztliches Gutachten zur Vorlage beim Medizinischen Dienst„ des Chirurgen Dr. H., der in E. eine Privatpraxis für Lipödem-Chirurgie betreibt, vom 23. September 2015 bei. Er führte aus, dass eine Therapie durch Liposuktionen bei der Klägerin indiziert sei. Die Kriterien des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98 - juris) seien erfüllt. Es liege eine die Lebensqualität zerstörende Erkrankung vor. Die Liposuktion biete als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode eine erhebliche Aussicht auf wesentliche Besserung oder gar Heilung. Eine vergleichbar wirkungsvolle Therapiealternative gebe es nicht. Dem Antrag war außerdem eine CD beigefügt.
Mit Schreiben vom 1. Oktober 2015 beauftragte die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Erstattung eines Gutachtens. Unter dem 7. Oktober 2015 teilte dieser der Beklagten mit, die beigefügte CD sei nicht lesbar. Mit Schreiben vom 4. November 2015 forderte die Beklagte die Klägerin auf, die Unterlagen in Papierform einzureichen. Mit Schreiben vom 11. November 2015 berief sich die Klägerin auf den Ablauf der Frist nach § 13 Abs. 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Am 18. November 2015 gingen die Unterlagen in Papierform bei der Beklagten ein. Mit Schreiben gleichen Datums beauftragte die Beklagte nochmals den MDK mit der Erstattung eines Gutachtens.
Mit Gutachten vom 30. November 2015 führte Dr. d. R.-W., MDK, aus, die Liposuktion bei Lipödem befinde sich noch immer im Stadium der wissenschaftlichen Erprobung. Die Vorgaben an Qualität, Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit seien nicht erfüllt. Eine Möglichkeit der Abrechnung bestünde für den vertragsärztlichen Bereich nicht, weil die Leistung nicht im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für Ärzte (EBM) enthalten sei. Eine positive Bewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) liege nicht vor. Ein Beratungsverfahren sei zwar eingeleitet worden, eine Methodenbewertung sei aber bislang nicht erfolgt. Die vom BVerfG aufgestellten Kriterien für einen Ausnahmefall seien nicht erfüllt. Eine akut lebensbedrohliche notstandsähnliche Situation liege eindeutig nicht vor. Außerdem liege ein Wirksamkeitsnachweis anhand einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Fällen aufgrund wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken bisher für die beantragte Methode nicht vor. Überlege...