Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschädigtenversorgung. psychische Störung. unmittelbare Kriegseinwirkung. mittelbare Geschädigter
Orientierungssatz
1. Nach § 1 BVG ist nur derjenige versorgungsberechtigt, der die Schädigung in einer der in den §§ 1ff BVG gekennzeichneten besonderen wehrdienst- oder kriegsbedingten Gegebenheit selbst erlitten hat (vgl BSG vom 8.12.1982 - 9a RV 18/82 = SozR 3100 § 1 Nr 29 = BSGE 54, 206). Die im Urteil des BSG vom 7.11.1979 - 9 RVg 1/78 = SozR 3800 § 1 Nr 1 = BSGE 49, 98 für das Opferentschädigungsrecht aufgestellten, abweichenden Grundsätze sind nach der Entscheidung des BSG vom 8.12.1982 aaO auf das BVG nicht anwendbar. Dieser Ansicht schließt sich der erkennende Senat an.
2. Unmittelbar geschädigt iS des BVG kann sein, wer ansehen muß, daß seine Eltern durch feindliche Soldaten erschossen werden und dadurch einen seelischen Schock erleidet. Jedoch ist hierfür ein enger/direkter zeitlicher Zusammenhang zwischen der kriegerischen Einwirkung und dem eingetretenen Schaden erforderlich (vgl BSG vom 17.3.1982 - 9a/9 RV 41/80 = SozR 3100 § 5 Nr 6). Erfährt der Betroffene erst rund 9 Monate nach dem schädigenden Ereignis vom Tode seiner nächsten Familienangehörigen, ist dieser Zeitraum zu lang, um noch von einer unmittelbaren Kriegseinwirkung ausgehen zu können.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger wegen einer schweren depressiven Störung Anspruch auf Beschädigtenversorgung hat.
Der 1936 in S./P. geborene Kläger wurde im Februar 1945 bei der Bombardierung S. verschüttet. Seine Eltern und Großeltern kamen bei diesem Luftangriff ums Leben. Er wurde aus den Trümmern geborgen und in einem russischen Lazarett behandelt. Aus diesem wurde er im November 1945 entlassen und einer polnischen Familie übergeben, die ihn aufzog. Im Jahre 1981 kam der Kläger in die Bundesrepublik Deutschland.
Im März 1994 stellte der Kläger beim Versorgungsamt (VA) Freiburg einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung für einen Sprach- und Gedächtnisverlust sowie für die Folgen operativ behandelter Verletzungen des Kopfes, der Hände und des linken Beins, verursacht durch die im Februar 1945 erlittene Verschüttung. Der Beklagte veranlaßte eine nervenärztliche und HNO-ärztliche Begutachtung des Klägers. Dr. F., Nervenarzt in F., führte in seinem Gutachten vom 28.01.1995 aus, nerven-ärztlich seien beim Kläger objektiv keine wesentlichen Störungen zu erfassen. Eine Sprachstörung in stärkerem Maße sei nicht sicher nachzuweisen. Zu ihrem Krankheitswert, auch zu der angegebenen Hörminderung links mit Tinnitus, wurde eine HNO-ärztliche Untersuchung vorgeschlagen. Dr. H., HNO-Arzt, führte unter dem 03.10.1995 aus, beim Kläger liege rechts eine mittelgradige reine Schallempfindungsschwerhörigkeit und links eine kombinierte, an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit vor. Diese Schwerhörigkeit lasse sich nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit auf ein Verschüttungstrauma zurückführen. Als Ursache komme auch eine Schädelprellung mit Commotio 1991 in Betracht. Dr. B. bezeichnete abschließend in ihrem versorgungsärztlichen (vä) Gutachten als Schädigungsfolgen mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um unter 25 vom Hundert (v.H. - 0 -) "multiple reizlose Narben an beiden Unterarmen und Unterschenkelvorderseiten sowie am linken Fuß nach Splitterverletzung und Splitterentfernung. Kleiner Weichteilstecksplitter über dem zweiten linken Mittelhandknochen." Das VA Freiburg traf mit Bescheid vom 24.11.1995 eine entsprechende Feststellung, nachdem sich der Leitende Arzt Dr. v. K. in seinem Prüfvermerk vom 06.10.1995 dieser Beurteilung angeschlossen hatte.
Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb im Hinblick auf die vä Stellungnahme von Dr. N. vom 18.03.1996 erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 09.05.1996).
Hiergegen erhob der Kläger am 10.06.1996 Klage beim Sozialgericht (SG) Freiburg mit dem Begehren, ihm wegen einer Nervenerkrankung, Sprachstörungen und einer Schwerhörigkeit Beschädigtenversorgung zu gewähren. Das SG vernahm die behandelnden Ärzte des Klägers, Dr. M., Nervenarzt in M., Dr. T., HNO-Arzt in M. und Dr. F., Oberarzt am Zentrum für Psychiatrie E., schriftlich als sachverständige Zeugen. Ferner wurden für die Steinbruchs-Berufsgenossenschaft erstattete Gutachten vom 20.08.1996 von Dr. K., Chefärztin der Schwarzwaldklinik in Bad K., die im dortigen Verfahren S 5 Vs 3439/96 zu den Akten genommen waren, beigezogen. Hierzu legte der Beklagte die vä Stellungnahme von Dr. W. vom 07.04.1998 vor, wonach sich aus den vorgelegten Unterlagen keine neuen Gesichtspunkte, insbesondere auch keine Brückensymptomatik, herleiten ließen.
Durch Urteil vom 30.06.1998 wies das SG Freiburg die Klage ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, nach dem Beweisergebnis bleibe offen, inwieweit das Verschüttungstrauma und ein eventuell hierbei erlittener psychischer Schock, sowie die spätere Zwangseingliederung in eine polnische Familie und ein unter Umständen hierdurch erlittenes Psychotrauma zu einer bleibenden Persö...