Entscheidungsstichwort (Thema)
Überlanges Gerichtsverfahren. Entschädigungsklage. unangemessene Verfahrensdauer eines PKH-Vergütungsfestsetzungsverfahrens nach Abschluss des Hauptverfahrens. keine Wartefrist bei abgeschlossenen Verfahren. Vorbereitungs- und Bedenkzeit von 3 Monaten. äußerst geringe Bedeutung des PKH-Vergütungsfestsetzungsverfahrens für den Rechtsanwalt. Wiedergutmachung auf andere Weise. Feststellungsausspruch
Leitsatz (amtlich)
Bei einem nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens noch betriebenen Verfahren zur Festsetzung der PKH-Vergütung ist bei der Prüfung der "unangemessenen Dauer" nicht die "12-Monats-Regel" (Vorbereitungs- und Bedenkzeit) für Hauptsachen zugrunde zu legen, sondern lediglich ein Zeitraum von 3 Monaten insoweit angemessen.
Orientierungssatz
1. Eine Wiedergutmachung auf andere Weise nach § 198 Abs 4 GVG durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, kann ausreichend sein, wenn die Bedeutung des PKH-Vergütungsfestsetzungsverfahrens für den Entschädigungskläger als Rechtsanwalt äußerst gering ist.
2. Das Fristerfordernis des § 198 Abs 5 S 1 GVG ist im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend einzuschränken, dass es keine Anwendung findet, wenn das als verspätet gerügte Verfahren schon vor Ablauf der Sechsmonatsfrist abgeschlossen wurde, weil der Zweck der Wartefrist dann nicht mehr erreicht werden kann (vgl BVerwG vom 26.2.2015 - 5 C 5/14 D = NVwZ-RR 2015, 641).
3. Das sich an die Erledigung der Hauptsache anschließende Kostenverfahren nach § 197 SGG stellt ein eigenständiges Gerichtsverfahren im Sinne von § 198 Abs 1 S 1 GVG dar (vgl BSG vom 10.7.2014 - B 10 ÜG 8/13 R = SozR 4-1720 § 198 Nr 2) und nicht bloß einen unselbstständigen Annex zum vorangegangenen, abgeschlossenen Hauptsacheverfahren.
Tenor
1. Für das PKH-Vergütungsfestsetzungsverfahren S 12 AS 1027/14 beim Sozialgericht Karlsruhe wird eine überlange Verfahrensdauer von einem Monat festgestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Beklagte trägt zwei Zehntel, der Kläger acht Zehntel der Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 240,95 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt eine Entschädigung in Höhe von 240,95 € nebst Zinsen wegen der unangemessen langen Verfahrensdauer eines Vergütungsfestsetzungsverfahrens.
Im damaligen Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Karlsruhe (S 12 AS 1027/14) wegen eines Aufhebungs- und Rückforderungsbescheids bezüglich gewährter Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Zweiten Buch (SGB II) erging das Urteil vom 12. August 2015, mit dem das SG die Klage abwies. Die Berufung des damaligen Klägers hatte teilweise Erfolg (Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 22. März 2018, L 7 AS 3754/15). Mit Beschluss des SG vom 25. August 2015 und mit Beschluss des LSG vom 18. Februar 2016 wurde dem damaligen Kläger jeweils Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Klägers bewilligt.
Mit Antrag vom 20. April 2018 - eingegangen beim SG am 30. April 2018 - leitete der Kläger das PKH-Vergütungsverfahren für das Klageverfahren ein. Zeitgleich wurde der - hier nicht streitgegenständliche - Antrag für die zweite Instanz angebracht. Da sich die Akten erster und zweiter Instanz zu diesem Zeitpunkt wegen des Berufungsverfahrens noch beim Landessozialgericht befanden, verfügte die Kostenbeamtin eine Widervorlage auf den 1. Juni 2018. Nach Eingang der Akten am 20. Juni 2018 verfügte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle am 27. Juni 2018 deren Weglegen; eine Entscheidung über den PKH-Vergütungsantrag unterblieb damals. Am 14. November 2018 rügte der Kläger eine Verzögerung bezüglich seines Antrages vom 20. April 2018. Am 15. November 2018 forderte die Kostenbeamtin die Akten des SG aus dem Archiv an. Nach Durchsicht der Akten bat sie mit Schreiben vom 22. November 2018 das LSG um Übersendung der Akten des Berufungsverfahrens. Mit Schreiben vom 23. November 2018 wurde der Kläger um Überprüfung seines Antrages für die erste Instanz gebeten, was die Anrechnung von Beratungshilfe anging. Am 4. Dezember 2018 ging die Akte des LSG beim SG ein. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2018 - eingegangen beim SG am 14. Dezember 2018 - bestätigte der Kläger, dass ihm entgegen seinem Antrag anzurechnende Beratungshilfe ausgezahlt worden war. Am 27. Dezember 2018 wurde die Auszahlung der PKH-Vergütung für die erste Instanz angeordnet.
Mit seiner am 29. April 2019 vor dem LSG erhobenen Klage begehrt der Kläger eine Entschädigung in Höhe von 240,95 € nebst Zinsen. Begründet werde der Entschädigungsanspruch mit einer verzögerten Bearbeitung seines Kostenfestsetzungsantrages. Er habe einen damaligen Mandanten in einem Verfahren vor dem SG und später vor dem LSG wegen Rückforderung von Sozialhilfeleistungen vertreten. Mit Beschluss vom 25. August 2014 sei seinem damaligen Mandanten Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von ihm für die erste Instanz gewährt worden. Mit Datum vom 20. April 2018 sei gegenüber dem SG seine PKH-Vergütung in Höhe von 747,32 € abgerechnet worden. Nac...