Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Umzug. Wechsel der örtlichen Zuständigkeit. Betreutes Wohnen iS von § 98 Abs 5 SGB 12
Leitsatz (amtlich)
Betreutes Wohnen iS von § 98 Abs 5 SGB 12 setzt eine konzeptionelle Verknüpfung von Wohnung und ambulanter Betreuung voraus.
Nachgehend
Tenor
Die Berufungen der Beklagten Ziff. 1) und Ziff. 2) gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 5. November 2009 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagten Ziff. 1) und Ziff. 2) Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit nicht zu leisten haben.
Die Beklagten Ziff. 1) und Ziff. 2) tragen jeweils die Kosten ihres Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird für die Berufung des Beklagten Ziff. 1) auf 391.706,91 € und die Berufung der Beklagten Ziff. 2) auf 9.188,44 € festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht ein Erstattungsanspruch hinsichtlich der vom Kläger für den Hilfeempfänger St. erbrachten Aufwendungen im Streit.
Der am … 1967 geborene Hilfeempfänger leidet seit seinem 12. Lebensjahr an einer neuromuskulären Muskeldystrophie vom Typ Duchenne, zwischenzeitlich mit Tetraparese (vgl. ärztliches Attest Dr. W. vom 23.03.2007, Bl. 298/35 der Verwaltungsakten der Klägerin - VA). Er bezieht seit 01.02.1999 Erwerbsunfähigkeitsrente (Bl. 40 VA). Bei dem Hilfeempfänger ist ein Grad der Behinderung von 100 (Bl. 4 VA) und Pflegestufe 3 mit besonderem Härtefall seit 24.02.2000 anerkannt (Bescheid der Pflegekasse vom 23.11.2000, Bl. 18 VA).
Der Hilfeempfänger war von Geburt an bis zum 30.03.1987 in der Stadt M. wohnhaft. Zum 24.03.1987 verzog er zum Zwecke der Aufnahme eines Studiums der medizinischen Informatik, an welches sich eine Tätigkeit bei der Fachhochschule H. anschloss, in die Stadt H. und zum 01.09.1994 nach W. in den Zuständigkeitsbereich des Klägers. Dort war er bis 30.04.2007 mit Hauptwohnsitz gemeldet. Vom 01.04.1987 bis zum 31.08.2003 erhielt der Hilfeempfänger zunächst von der Beklagten Ziff. 2 (vgl. zuletzt Bescheid vom 23.11.2000, Bl. 17 VA) Hilfe zur Pflege sowie Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Kfz-Hilfe nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG). Vor April 2003 ging dann die Leistungszuständigkeit auf den Beklagten Ziff. 1) über (vgl. Aktenvermerk vom 17.04.2003, Bl. 21 VA). Mit Bescheid vom 17.06.2003 (Bl. 23-2 VA) stellte die Beklagte Ziff. 2) die dem Hilfeempfänger bis dahin gewährten monatlichen Leistungen zum 31.08.2003 ein. Ab 01.09.2003 leistete der Kläger dem Hilfeempfänger Hilfe in besonderen Lebenslagen nach den §§ 69a, b und c BSHG in Form der Hilfe zur häuslichen Pflege (Pflegegeld, Kostenübernahme der notwendigen ungedeckten Kosten einer Pflegekraft der AWO, Kfz-Hilfe i. H. v. monatlich 100,00 €). Ab 01.01.2003 erbrachte der Kläger für den Hilfeempfänger außerdem Grundsicherungsleistungen nach dem Grundsicherungsgesetz (Bescheid vom 05.11.2003, Bl. 36 VA) und ab 01.01.2005 nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).
Zum 01.05.2007 verzog der Hilfeempfänger wegen des Eintritts einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes (vgl. Aktenvermerk vom 05.02.2007, Bl. 241 VA sowie Schreiben des Paritätischen Sozialdienstes M. ≪PSD≫ vom 01.02.2007, Bl. 264/2 VA) vom Zuständigkeitsbereich des Klägers in die Stadt M. in eine von ihm selbst angemietete Wohnung in dem Wohnhaus, in welchem auch seine Eltern ihre Wohnung haben. Die Wohnung des Hilfeempfängers ist 90 m2 groß und verfügt über drei Zimmer. Dort wird er rund um die Uhr vom PSD im Rahmen einer sogenannten individuellen Schwerstbehindertenbetreuung (ISB) durch Pflegehilfskräfte versorgt (Schreiben des PSD an die Klägerin vom 03.05.2007, Bl. 341 VA). Der Hilfeempfänger ist gemäß telefonischen Auskünften der Pflegedienstleiterin des PSD, G., vom 30.08.2007, 29.01.2008 und vom 01.07.2008 (vgl. Aktenvermerke der Klägerin unter den genannten Daten, Bl. 410, 451 und 479 VA) in der Lage, seinen Tagesablauf, Freizeitaktivitäten sowie seine Pflege selbst zu regeln. Er ist mithin in der Lage seinen Willen kund zu tun, nicht jedoch diesen mechanisch umzusetzen. Für die mechanische Umsetzung seines Willens ist er auf die Hilfe anderer Personen angewiesen, wie er auch selbst in einem von ihm angestrengten Eilverfahren in der Beschwerdeinstanz (Aktenzeichen des Landessozialgerichts Baden-Württemberg: L 2 SO 2228/07 ER-B) hat vortragen lassen (vgl. Schriftsatz des Bev. des Hilfeempfängers vom 04.07.2007, Bl. 384/4 VA). Der Hilfeempfänger benötigt hiernach in regelmäßigen Abständen eine assistierte Druckbeatmung. Die Pflegehilfskräfte unterstützen ihn bei sämtlichen körperbezogenen Verrichtungen, wie die Druckbeatmung überprüfen, ihn waschen, ihm seine Nahrung geben, mit ihm gymnastische Übungen machen und ihm beim Einkaufen behilflich sein. Gemäß den telefonischen Auskünften des PSD gegenüber dem Kläger erfolgen pflegerische und hauswirtschaftliche Dienste. Die Assistenten werden auch für die Freizeitgestalt...