Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Anspruchsübergang. Anforderungen an die Bestimmtheit einer Überleitungsanzeige. Gläubigermehrheit
Leitsatz (amtlich)
Eine Überleitungsanzeige iS des § 93 SGB 12 ist hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB 10), wenn der Wille des Sozialhilfeträgers zur Überleitung zum Ausdruck kommt und der Hilfeempfänger, die Art der Hilfe sowie der überzuleitende Anspruch nebst Angaben von Gläubiger und Schuldner bezeichnet werden. Bei einer Gläubigermehrheit muss in der Überleitungsanzeige zum Ausdruck kommen, welche Art der Gläubigermehrheit (Gesamt-, Teilgläubigerschaft, Gläubigergemeinschaft) vorliegt.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27. Juli 2011 und der Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2010 aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht im Streit, ob die Beklagte einen Anspruch des zwischenzeitlich verstorbenen Vaters des Klägers gegen diesen auf sich überleiten durfte.
Dem 1927 geborene R. (Vater des Klägers, im Folgenden R.) gewährte die Beklagte für die Zeit vom 23. Juli 2009 bis zu dessen Tod am 13. Dezember 2011 Leistungen der Hilfe zur stationären Pflege nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII) und übernahm die ungedeckten Heimkosten in der stationären Pflegeeinrichtung E. in F. Der Beklagten entstanden in diesem Zeitraum Sozialhilfeaufwendungen in Höhe von insgesamt 32.484,55 €.
R. war mit der am 20. Juli 1923 geborenen W. der Beigeladenen, verheiratet, die nach der Heimaufnahme des R. weiterhin in der Ehewohnung wohnte. Die Beigeladene verfügte über ein Girokonto Nr. 1. bei der S., auf das die Altersrente des R. bis April 2009 (Altersrente für Mai 2009) überwiesen worden war. Von diesem Konto der Beigeladenen wurden seit 1993 bis April 2009 monatlich 1.000,00 DM bzw. 511,29 € an den Kläger überwiesen.
Der Kläger war Betreuer des R. (Betreuerausweis des A. - Vormundschaftsgericht - vom 20. März 2008 - 13 XVII 723/07 -), u.a. in dem Aufgabenkreis der Besorgung aller Vermögensangelegenheiten. In dieser Funktion gab er im Rahmen des Antrages auf Hilfe zur Pflege an, dass seine Eltern seit der Heimaufnahme des R. am 8. April 2009 getrennt leben würden (vgl. auch Vorsprache vom 19. August 2009). Ausweislich eines Aktenvermerks der Beklagten vom 21. September 2009 wies die Enkelin der Beigeladenen E. die Beklagte auf die Überweisungen vom Konto der Beigeladenen an den Kläger hin. Dieses Konto habe als gemeinsames Konto der Beigeladenen und des R. gegolten, da auch dessen Rente auf dieses überwiesen worden sei. Außerdem seien größere Abhebungen vom Sparkonto durch den Kläger erfolgt. Mit dem Betrag habe der Kläger keine Lebensmittel für seine Eltern besorgt. Daher habe er noch weitere Gelder bekommen. Der Kläger habe diese Gelder in der Erwartung erhalten, dass er für seine Eltern im Alter sorgen und für die Beerdigung aufkommen werde. Bezüglich des Getrenntlebens teilte E. mit, dass eine Trennung im familienrechtlichen Sinne nicht vorliege. R. könne nicht mehr in der Ehewohnung leben, sondern müsse nun im Pflegeheim versorgt werden. Würde er nicht im Pflegeheim leben, würden die Eheleute noch im gemeinsamen Haushalt leben. Gleichwohl ging die Beklagte von einem Getrenntleben der Eheleute aus (vgl. Bescheid vom 22. September 2009; die in diesem Bescheid enthaltene Verpflichtung des R. zu einem Kostenbeitrag in Höhe von einmalig 1.600,00 € wurde mit Urteil des Sozialgerichts Freiburg ≪SG≫ vom 11. Oktober 2012 - S 12 SO 6446/09 - aufgehoben). Am 25. September 2009 bestätigte die Beigeladene gegenüber der Beklagten, dass der Kläger ab 1993 bis April 2009 per Dauerauftrag einen monatlichen Betrag von 1.000,00 DM, später von 511,29 € von ihrem Girokonto als Schenkung in der Erwartung erhalten habe, dass er im Alter für sie und R. sorgen werde. Lebensmittel oder Medikamente habe er damit nicht besorgt. Für solche Anschaffungen habe er Extrazahlungen von ihr erhalten.
Mit an den Kläger gerichteten Bescheid vom 6. Oktober 2009 leitete die Beklagte zur Deckung der angefallenen bzw. anfallenden Sozialhilfeaufwendungen für R. gemäß § 93 SGB XII “den Rückforderungsanspruch Ihrer Eltern auf Auszahlung der Schenkungen, die Sie von Ihren Eltern in den letzten 10 Jahren erhalten haben, auf uns als zuständigen Sozialhilfeträger über„. Der Überleitungsanspruch betrage maximal 48.532,22 €.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein (Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 23. Oktober 2009). Zur Begründung führte er aus, es sei zwar richtig, dass er bis April 2009 durch Überweisung vom Konto der Beigeladenen monatliche Zahlungen in Höhe von 1.000,00 DM bzw. 511,29 € erhalten habe. Diese Überweisungen stellten jedoch keine Schenkung dar und seien darüber hinaus nicht als Leistungen des R. anzusehen. Bei den monatlichen Überweisungen habe e...