Entscheidungsstichwort (Thema)

Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit. Anhebung der Altersgrenze. Vertrauensschutzregelung. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

Die Vertrauensschutzbestimmung des § 237 Abs 4 SGB 6 verstößt nicht gegen das GG.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 06.05.2010; Aktenzeichen B 13 R 18/09 R)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf höhere Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ohne abgesenkten Zugangsfaktor hat.

Der ... 1941 geborene Kläger war bei der I GmbH seit 1. Oktober 1970, zuletzt als Ingenieur unter Entrichtung von Pflichtbeiträgen zur Rentenversicherung beschäftigt. Im Jahre 1994 hatte er ein Angebot auf gleitenden Ruhestand von der Arbeitgeberin erhalten, an welchem diese interessiert war, um den notwendigen Personalabbau auf sozialverträgliche Weise durchführen zu können. Der gleitende Ruhestand sah verschiedene Varianten vor, so u.a. die Auflösung des Vertragsverhältnisses mit Neubegründung eines neuen befristeten Arbeitsvertrags, die Zahlung einer Betriebsrente sowie eine Abfindung. Unter dem 10. Oktober 1994 unterzeichnete der Kläger den das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1994 auflösenden Vertrag sowie einen neuen Arbeitsvertrag, auf dessen Grundlage er bei der Arbeitgeberin noch befristet vom 1. Januar 1995 bis 31. Oktober 1997 zu einem Bruttoentgelt von 5.242 DM und einer wöchentlichen Arbeitszeit von nur noch 19 Stunden beschäftigt blieb; daneben bezog er ab 1. Januar 1995 eine Betriebsrente von anfänglich monatlich 2.649 DM sowie eine Subvention des versicherungsmathematischen Abzugs von monatlich 238 DM, insgesamt also 2.887 DM. Das Arbeitsverhältnis endete gegen Zahlung einer Abfindung von 153.773 DM brutto. Der Kläger meldete sich anschließend arbeitslos und bezog vom 1. November 1997 bis 28. Juni 2000 Arbeitslosengeld ohne die erleichterten Voraussetzungen des § 105c des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) bzw. des § 428 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III); anschließend blieb er arbeitslos gemeldet, ohne Leistungen zu beziehen.

Am 27. September 2001 beantragte der Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Die Beklagte holte beim Arbeitsamt Stuttgart die Auskunft vom 19. Dezember 2001 ein. Mit Bescheid vom 21. Januar 2002 bewilligte sie ab 1. Januar 2002 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit in Höhe von monatlich 1.294,30 €; in der Anlage 6 wurde der Zugangsfaktor der Rente wegen der 60 Kalendermonate vorzeitiger Inanspruchnahme um jeweils 0,003, insgesamt um 0,180 auf 0,820 vermindert, wodurch sich die persönlichen Entgeltpunkte von 62,3530 auf 51,1295 (62,3530 x 0,820) verringerten. Außerdem hob die Beklagte im Rentenbescheid den früheren Vormerkungsbescheid vom 20. April 1988, soweit er nicht dem geltenden Recht entspreche, auf; sie entschied im Rahmen der Rentenberechnung ferner, dass Anrechnungszeiten wegen Krankheit ohne Beitragszahlung sowie wegen Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug keine Entgeltpunkte erhielten. Der Kläger erhob am 5. Februar 2002 Widerspruch wegen des verringerten Zugangsfaktors und der verweigerten Zuweisung von Entgeltpunkten für bestimmte Anrechnungszeiten wegen Krankheit und Arbeitslosigkeit. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2002 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 17. Mai 2002 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben, mit der er begehrt hat, die Altersrente nach den Regelungen des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung vom 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261 (Rentenreformgesetz 1992 -- RRG 1992 --) zu berechnen, weil er die Altersrente mit Vollendung des 60. Lebensjahres ohne Abschlag in Anspruch nehmen dürfe; soweit die nach dem RRG 1992 erlassenen gesetzlichen Regelungen ihm dies verweigerten, seien diese verfassungswidrig. Wegen der Vereinbarungen im Rahmen des gleitenden Ruhestandes gegen den früheren Arbeitgeber geführte Musterverfahren hätten in drei Instanzen keinen Erfolg gehabt. Die Beklagte hat während des Klageverfahrens die Altersrente mit Bescheid vom 27. Mai 2002 neu berechnet, weil ab 1. Januar 2002 Versicherungspflicht in der Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung bestand und deshalb die Rente um die Beitragsanteile des Klägers zu diesen Versicherungszweigen verringert wurde; die Rentenberechnung als solche blieb unverändert. Das SG hat mit Urteil vom 12. November 2002 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe einen wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente abgesenkten Zugangsfaktor hinzunehmen (§ 237 Abs. 1 und 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI)). Vertrauensschutz genieße er nicht; denn § 237 Abs. 4 SGB VI, der ebenso wenig wie § 237 Abs. 1 und 3 SGB VI verfassungswidrig sei, finde keine Anwendung, weil der Kläger nicht bis 14. Februar 1941 geboren sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das an die damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 3. Dezember 2002 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil Bezug geno...

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