Entscheidungsstichwort (Thema)

Wegfall des Arbeitslosengeld II. weitere wiederholte Pflichtverletzung. Verweigerung der Aufnahme einer zumutbaren Arbeit. vorsätzliche Ablehnung. fehlende Arbeitsbereitschaft. Aufhebung des Bewilligungsbescheids. Beweislast für den Zugang eines Vermittlungsvorschlags

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Minderung des Alg II wegen einer Arbeitsverweigerung kommt nur bei vorsätzlicher Ablehnung eines bestimmten Verhaltens bzw bei willentlich gesteuerter Ablehnung, eine bestimmte Handlung vorzunehmen, in Betracht. Eine Weigerung kann auch durch konkludentes Verhalten erfolgen. Im Falle der Weigerung durch schlüssiges Verhalten muss jedoch, in Abgrenzung zur bloßen Unachtsamkeit oder Ungeschicklichkeit, das gesamte Verhalten des Leistungsberechtigten den hinreichend sicheren Schluss zulassen, dass er nicht bereit ist, eine Arbeit aufzunehmen. Dagegen reicht ein bloß fahrlässiges Verhalten für den Sanktionstatbestand des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II nicht aus.

 

Normenkette

SGB II § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 31a Abs. 1, § 31b Abs. 1 S. 1; SGB X § 48 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27. August 2013 sowie der Bescheid des Beklagten vom 24. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. September 2012 aufgehoben.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

 

Tatbestand

Umstritten unter den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit eines Bescheids über den vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes II im Zeitraum vom 1. September bis 30. November 2012.

Der 1965 geborene geschiedene Kläger stand beim Beklagten vom 1. April bis 31. August 2006 sowie sodann wieder ab 23. Dezember 2008 im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Durch Bescheid vom 18. November 2011 wurden ihm Leistungen vom 1. Januar bis 30. Juni 2012 in Höhe von 597,58 Euro zuerkannt (Regelbedarf 364,00 Euro, Kosten für Unterkunft und Heizung 233,58 Euro).

Mit Bescheid vom 2. Januar 2012 minderte der Beklagte das Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. Februar bis 30. April 2012 monatlich um 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs (112,20 Euro monatlich), weil der Kläger das Zustandekommen eines ihm am 25. Oktober 2011 angebotenen zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses als Helfer in der Metallbearbeitung verhindert habe; dieser Bescheid wurde bestandskräftig. Durch - ebenfalls bestandskräftig gewordenen - Bescheid vom 29. März 2012 minderte der Beklagte wegen wiederholter Pflichtverletzung das Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Juli 2012 um monatlich 60 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs (224,40 Euro monatlich), weil der Kläger die ihm am 18. Januar 2012 angebotene zumutbare Beschäftigung als Metallhilfsarbeiter nicht aufgenommen habe. Wegen der Verhinderung des Zustandekommens eines ihm am 7. Februar 2012 angebotenen Beschäftigungsverhältnisses als Produktionshelfer stellte der Beklagte mit einem weiteren Bescheid vom 3. Mai 2012 eine Minderung des Arbeitslosengeldes II für die Zeit vom 1. Juni bis 31. August 2012 um 60 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs (224,40 Euro monatlich) fest; auch dieser Bescheid wurde vom Kläger nicht angefochten.

Auf den am 15. Mai 2012 gestellten Weiterbewilligungsantrag bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 15. Mai 2012 für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Hierbei berücksichtigte er für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August 2012 einen Minderungsbetrag von 224,40 Euro, sodass sich (bei einem Regelbedarf von 374,00 Euro und Kosten für die Unterkunft und Heizung von 261,87 Euro) ein monatlicher Gesamtleistungsbetrag von 411,47 Euro ergab, während sich die Bewilligung für die Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 2012 auf monatlich 635,87 Euro belief. Diesen Bescheid focht der Kläger gleichfalls nicht an.

Auf Einladung des Beklagten sprach der Kläger dort im Bereich Arbeitsvermittlung am 15. Juni 2012 persönlich vor. Im Termin abgeschlossen wurde eine neue Eingliederungsvereinbarung. Außerdem bot ihm die Arbeitsvermittlerin an diesem Tag eine zweimonatige, bei der D. + P. GmbH (i.F.: D. + P.) in Vollzeit durchzuführende Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (Seminar: “Orientierung und Aktivierung mit Kenntnisvermittlung Lager und Logistik und 4 Wochen betrieblicher Erprobung„) im Bildungszentrum G. an. An dieser Maßnahme nahm der Kläger in der Zeit vom 18. Juni bis 17. August 2012 (einschließlich eines Praktikums als Lagerhelfer bei der C. GmbH & Co. vom 23. Juli bis 17. August 2012) teil; dabei erwarb er am 27. Juli 2012 auch den Fahrausweis für Flurförderzeuge (“Staplerschein„).

Im Software-Programm “V.„ des Beklagten finden sich ferner mehrere Vermerke, dass dem Kläger am 15. Juni 2012 ein Vermittlungsvorschlag für ein Stellenangebot bei der S. P. GmbH (i.F.: Fa. Sch.) als Lager- und Transportarbeiter erstellt worden sei...

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