Entscheidungsstichwort (Thema)

Festsetzung der Pflegesätze durch die Schiedsstelle. Überschreitung des Beurteilungsspielraums

 

Leitsatz (amtlich)

Die Schiedsstelle überschreitet den ihr eingeräumten Beurteilungsspielraum, wenn sie für die Festsetzung der Pflegesätze eines Pflegeheims, das ein nicht tarifgebundener Heimträger betreibt, im externen Vergleich nur die Pflegeheime in den Vergleich mit einbezieht, deren Träger ebenfalls nicht tarifgebunden sind.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.01.2009; Aktenzeichen B 3 P 7/08 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. November 2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass aufgehoben ist der Schiedsspruch der Beklagten vom 22. November 2005 und die Beklagte bei der erneuten Entscheidung die Rechtsauffassung des Senats zu beachten hat.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für beide Rechtszüge wird auf € 67.500,00 festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Vergütungssätze für das von der Klägerin betriebene Pflegeheim für die Zeit vom 17. Oktober 2005 bis 31. Oktober 2006 zutreffend festgesetzt hat.

Die Klägerin betreibt das Pflegeheim H. in R. mit 40 Heimplätzen einschließlich zweier Kurzzeitpflegeplätze. Sie schloss mit den Beigeladenen eine ab 4. Februar 2004 geltende Vergütungsvereinbarung, die frühestens am 31. Januar 2005 gekündigt werden konnte und in der folgende Vergütungssätze vereinbart waren:

Pflegeklasse I

€ 42,00 täglich

Pflegeklasse II

€ 54,50 täglich

Pflegeklasse III

€ 72,00 täglich

Entgelt für Unterkunft und Verpflegung

€ 19,00 täglich.

Zugleich schlossen die Klägerin und die Beigeladenen eine Leistungs- und Qualitätsvereinbarung für vollstationäre Pflege/Kurzzeitpflege nach § 80a des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI), in der folgende Personalausstattung festgelegt war (§ 1):

Personal im Pflegebereich

Personalschlüssel

Pflegestufe I

1 : 3,13

Pflegestufe II

1 : 2,23

Pflegestufe III

1 : 1,65

Fachkraftquote

50 vom Hundert (v.H.)

Personal im Bereich Hauswirtschaft und Technik

Personalschlüssel

1 : 5,9

Personal im Bereich Leitung und Verwaltung

Personalschlüssel

1 : 30,0.

Weiter war bestimmt, dass den in der Vergütungsvereinbarung vom 4. Februar 2004 festgelegten Vergütungen und Entgelten folgende Bewohnerstruktur zu Grunde liege (§ 2):

Pflegestufe I

  8 Bewohner

Pflegestufe II

22 Bewohner

Pflegestufe III

10 Bewohner.

Die Klägerin forderte die Beigeladenen am 14. April 2005 zur Neuverhandlung der Entgelte auf. Im Laufe der Vergütungsverhandlungen legte die Klägerin eine Personalliste vor, wobei von den dort genannten Mitarbeitern 14 (fünf Vollzeitfachkräfte, eine Vollzeitpflegehelferin, vier hauswirtschaftliche Teilzeitkräfte, drei Schüler und ein Zivildienstleistender) seit der letzten Vergütungsverhandlung neu eingestellt worden waren, sowie eine Kalkulation der Kosten von einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft für das Jahr 2005 mit einem Personalaufwand einschließlich Sozialabgaben von € 1.052.895,00. Als Vergleichseinrichtungen nannte sie das Bürgerheim R., das deutlich unter dem Niveau des von ihr betriebenen Heimes liege, sowie das L.-K.-Haus in K. mit folgenden Vergütungssätzen:

Einrichtung

Pflegeklasse I

Pflegeklasse II

Pflegeklasse III

Unterkunft und Verpflegung

Bürgerheim R.

€ 44,00

€ 57,75

€ 73,80

€ 19,80

L.-K.-Haus

€ 47,50

€ 61,60

€ 79,00

€ 20,40.

Die Beigeladenen nannten als Vergleichseinrichtungen das Haus C. in S., das Seniorenpflegeheim im Wohnpark K. sowie den K. Hof in K. mit folgenden Vergütungssätzen:

Einrichtung

Pflegeklasse I

Pflegeklasse II

Pflegeklasse III

Unterkunft und Verpflegung

Haus C.

€ 40,32

€ 52,24

€ 66,42

€ 17,61

Seniorenpflegeheim im Wohnpark K.

€ 42,00

€ 54,50

€ 70,00

€ 19,00

K. Hof

€ 41,70

€ 53,00

€ 68,00

€ 17,60.

Bei der Vergütungsverhandlung am 1. Juli 2005 konnte keine Einigung erzielt werden. Mit Schreiben vom 10. Oktober 2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, die täglichen Entgelte für das von ihr betriebene Haus am Park wie folgt festzusetzen:

Pflegeklasse I

€ 48,53

Pflegeklasse II

€ 63,21

Pflegeklasse III

€ 81,16

Unterkunft und Verpflegung

€ 21,15.

In der Verhandlung der Beklagten beantragte sie, diese Vergütungen für den Zeitraum vom 17. Oktober 2005 bis 16. Oktober 2006 festzusetzen. Zur Begründung verwies sie auf die von ihr bereits bei der vorangegangenen Vergütungsverhandlung vorgelegten Unterlagen und hielt die Auswahl der Vergleichseinrichtungen durch die Beigeladenen für einseitig, weil lediglich günstige private Einrichtungen herangezogen worden seien. Die Grundsätze des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 14. Dezember 2000 - B 3 P 19/00 R - (= SozR 3-3300 § 85 Nr. 1) hätten nichts von ihrer Gültigkeit verloren. Insbesondere der Vergleich allein mit nicht tarifgebundenen Einrichtungen entspreche nicht dieser Rechtsprechung. Der Vergleich der Pflegesätze mit angrenzenden Landkreisen in Baden-Württemberg belege...

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