Entscheidungsstichwort (Thema)

Klagerücknahme. Anfechtung

 

Orientierungssatz

Eine Klagerücknahme kann als Prozeßhandlung nicht nach den Vorschriften der §§ 119ff BGB angefochten werden, also weder wegen Irrtums noch wegen arglistiger Täuschung (vgl BSG vom 12.8.1961 - 3 RK 13/59 = SozR Nr 6 zu § 102 SGG).

 

Tatbestand

Der Kläger erhebt in Fortführung eines früheren gerichtlichen Verfahrens Anspruch auf höhere Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG).

Der am 8. Juli 1939 in Kattowitz/Polen geborene Kläger war nach einem Studium der Elektrotechnik (Automatisierungstechnik) an der Technischen Universität G. (bis 1964) zunächst als Ingenieur im Elektromaschinenbau in K. beschäftigt. Seit Oktober 1974 war er Ingenieur im dortigen Forschungsinstitut für Steuerungssysteme. Nach Weiterbildung im Bereich Computertechnik wurde er 1982 an der Technischen Universität B. promoviert. Er beendete seine Beschäftigung zum 13. Mai 1989; an diesem Tag nahm er ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet. Der Kläger ist verheiratet und hat zwei Söhne (geb. 1982 und 1984) aus früherer Ehe. Die Stadt S. stellte den Vertriebenenausweis A vom 18. Oktober 1989 aus, demzufolge der Kläger zur Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen aufgrund des § 10 Abs. 2 Nr. 2 des Bundesvertriebenengesetzes berechtigt ist.

Am 15. Juni 1989 meldete sich der Kläger beim Arbeitsamt S. (ArbA) arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Das ArbA hielt bei der Prüfung des erzielbaren fiktiven Arbeitsentgelts (§ 112 Abs. 7 AFG) eine Vermittlung lediglich als Hilfsarbeiter im Metallbereich, Lohngruppe 6 (damaliges Bruttomonatsentgelt 2.465.- DM) für möglich. Demgemäß bewilligte das ArbA durch Bescheid vom 29. Januar 1990 Alg nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 570.- DM (Leistungsgruppe C, Kindermerkmal 1, Anspruchsdauer - 676 Wochentage, Leistungssatz ab 15. Juni 1989 276,60 DM, ab 1. Januar 1990 288,60 DM). Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 19. März 1990 zurückgewiesen mit der Begründung, wegen der mangelnden beruflichen Erfahrung auf dem hiesigen Arbeitsmarkt und insbesondere der sehr schlechten Deutschkenntnisse komme eine Bemessung nach höher bezahlter Beschäftigung nicht in Betracht. Vom 19. März 1990 bis 18. Januar 1991 besuchte der Kläger einen Deutsch-Lehrgang für Akademiker, für den ihm Unterhaltsgeld (Uhg) nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 580.- DM bewilligt wurde.

Nach Abschluß dieses Lehrgangs bewilligte das ArbA durch Bescheid vom 16. Januar 1991 ab 19. Januar 1991 wiederum Alg (wöchentliches Bemessungsentgelt 590.- DM, Leistungssatz 298,80 DM). Mit seinem Widerspruch hiergegen berief sich der Kläger auf seinen Hochschulabschluß, den Doktorgrad, die langjährige Berufserfahrung mit vielen Auszeichnungen und den erfolgreichen Abschluß des Sprachkurses. Die Widerspruchsstelle des ArbA verblieb im zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 28. März 1991 dabei, all dies - auch der Stand der Deutschkenntnisse - reiche nicht aus, eine höhere Bemessung zu rechtfertigen. Der Kläger strengte hiergegen das Verfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) - S 5/16 Ar 1213/91 - an, in welchem er umfangreiche Unterlagen über seinen Werdegang, seine Berufserfahrung sowie seine Kenntnisse und Fähigkeiten beibrachte. Nach nochmaliger Prüfung erachtete das ArbA eine Vermittlung als DV-Mitarbeiter in der Software-Branche bei einem Bruttomonatsentgelt von 3.750.- DM für möglich. Hieraus errechnete sich ein wöchentliches Bemessungsentgelt von 870.- DM, auf dessen Grundlage das Alg zunächst durch Bescheid vom 28. April 1992 ab 19. März 1992, durch Änderungsbescheid vom 24. Juli 1992 bereits ab 18. Februar 1992, einem Vorsprachetermin des Klägers beim ArbA, bewilligt wurde (wöchentlicher Leistungssatz 416,40 DM). Die Beklagte lehnte eine noch günstigere Einstufung ab. In einem Erörterungs- und Beweisaufnahmetermin vom 1. Oktober 1992 hörte das SG den Kläger an und vernahm den Arbeitsvermittler S. als Zeugen. Dieser sagte unter anderem aus, auch noch gegen Ende des Sprachkurses im Januar 1991 sei eine Verständigung aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse kaum möglich gewesen; erst am 18. Februar 1992 habe sich der Kläger hinreichend ausdrücken können; ältere Bewerber und solche etwa aus Polen seien fast nicht zu vermitteln; gewählt worden sei jetzt das von einem DV-Mitarbeiter im Software-Bereich in kleineren Unternehmen erzielbare Entgelt, und zwar ein solches eher über dem Durchschnittswert. Die Niederschrift des Termins wurde am 9. Oktober 1992 an den Kläger abgesandt. Am Ende eines sechsseitigen von ihm unterzeichneten Schriftsatzes vom 26. Oktober 1992, beim SG eingegangen am folgenden Tag, erklärte der Kläger, er verzichte nunmehr darauf, weiterhin um die Höhe des Alg zu streiten; es bleibe aber ein Klärungsbedarf hinsichtlich des Zeitpunkts der Erhöhung. Die Beklagte verblieb im Schriftsatz vom 11. November 1992 dabei, aufgrund des Eindrucks von den Sprachkenntnissen des Klägers im Erörterungste...

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