Entscheidungsstichwort (Thema)

Abrechnung. Vertragsarzt. Ausschlußfrist. Honorarverteilungsmaßstab. Treu und Glauben

 

Orientierungssatz

Zur Anwendung der Ausschlußfrist in einem Honorarverteilungsmaßstab bei besonderen Umständen des Einzelfalles.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Ersatzkassenabrechnung der Klägerin für das Quartal 3/95 zu honorieren.

Die Klägerin ist als Frauenärztin in Ö niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Im Jahr 1995 kam es zu Verzögerungen bei der Einreichung der Quartalsabrechnungen der Klägerin. Mit Schreiben vom 20.10.1995, 27.10.1995, 22.01.1996, 29.01.1996, 03.04.1996, 23.04.1996 und 06.05.1996 mahnte die Beklagte u.a. die Vorlage der streitigen Abrechnung an und wies darauf hin, im Falle der Vorlage nach den jeweils gesetzten Fristen könne die Abrechnung bei der laufenden Honorarabrechnung nicht berücksichtigt werden. Zudem wies sie auf § 6 Abs. 1 Honorarverteilungsmaßstab (HVM) hin. Mit Schreiben vom 22.07.1996 und 29.07.1996 mahnte die Beklagte nochmals die Vorlage der Abrechnung für das Quartal 3/95 an. Im letztgenannten Schreiben hieß es: "Sollte uns Ihre Abrechnung nicht bis spätestens 07.08.1996 vorliegen, können wir sie nicht mehr bei der laufenden Honorarberechnung berücksichtigen. Wir weisen Sie nochmals auf die Bestimmungen des Honorarverteilungsmaßstabes (§ 6 Abs. 1) hin". Mit weiterem Schreiben vom 09.08.1996 teilte die Beklagte mit, die Abrechnung der vertragsärztlichen Leistungen für die Ersatzkassen 3/95 sei ab dem 31.07.1996 verjährt bzw. ausgeschlossen.

Mit erneutem Schreiben vom 28.08.1996 teilte der Vorstand der Beklagten der Klägerin mit, zumindest für die Quartale 3/95 und 4/95 bestehe möglicherweise keine Rechtsgrundlage mehr für die Abrechnungsfähigkeit. Sie werde endgültig und letztmalig aufgefordert, die noch ausstehenden Abrechnungen der vorgenannten Quartale bis zum 04.09.1996 einzureichen, andernfalls werde sich der Vorstand mit dem Vorgang befassen. In den verspäteten Abrechnungen sei ein Verstoß gegen die vertragsärztlichen Pflichten zu sehen.

Am 09.09.1996 reichte die Klägerin die Abrechnungsunterlagen für den Bereich der Ersatzkassen für das Quartal 3/95 bei der Beklagten ein. Mit Bescheid vom 13.09.1996 wies die Beklagte diese Abrechnung wegen Verjährung der Abrechnungsmöglichkeit zurück. Die Abrechnungsfähigkeit der vertragsärztlichen Leistungen für die Ersatzkassen 3/95 habe am 31.07.1996 geendet.

Am 26.09.1996 erhob die Klägerin Widerspruch. In sämtlichen Mahnungen sei nur darauf hingewiesen worden, die Abrechnung könne nicht mehr im laufenden Quartal berücksichtigt werden, niemals sei ein endgültiger Termin oder eine Ausschlußfrist benannt worden. Dadurch sei ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden. Zudem ende nach § 34 Abs. 3 des Ersatzkassenvertrages (EKV) die Abrechnungsmöglichkeit erst zum 30.09.1996. Wenn die Beklagte eine Bearbeitungsfrist für sich reklamiere, widerspreche dies dem geschaffenen Vertrauen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.1996 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Nach § 5 des verbindlichen HVM ende die Möglichkeit der Abrechnung von Leistungen einschließlich Kostenersatz bei der Beklagten zwei Monate vor der vertraglichen Verjährungs- bzw. Ausschlußfrist. Soweit Verträge keine Verjährungs- bzw. Ausschlußfristen enthielten, ende die Abrechnungsmöglichkeit nach Ablauf des 8. Kalendervierteljahres, das auf das Leistungsvierteljahr folge. § 34 Abs. 3 EKV schließe die Abrechnung von vertragsärztlichen Leistungen mit Ablauf eines Jahres, vom Ende des Kalendervierteljahres an gerechnet, in dem sie erbracht worden seien aus. Damit sei für die im Quartal 3/95 erbrachten Leistungen die Verjährungsfrist am 30.09.1996 abgelaufen. Gemäß § 5 HVM sei somit der letztmögliche Einreichungstermin der 30.07.1996 gewesen. Damit sei die Abrechnung verspätet eingereicht worden. Ein Vertrauensschutz sei nicht zuzugestehen. Die Behauptung, es seien im Vorfeld keine Ausschluß- bzw. Verjährungsfristen genannt worden, sei unzutreffend. In einem Telefongespräch vom 01.04.1996 sei zusätzlich der Unterschied von Abgabefristen und Verjährungsfristen dargestellt worden. Sämtliche Hilfsangebote seien abgelehnt worden. Auch aus Gründen der Gleichbehandlung aller Vertragsärzte könne die Abrechnung nicht mehr entgegengenommen werden.

Am 04.12.1996 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Stuttgart erhoben. Wegen einer Praxisverlegung habe sie die Abrechnungen nicht innerhalb der Regelabgabezeiten fertigstellen können. Dies sei der Beklagten bekannt gewesen. Man habe sie auf die Verjährungsfristen hingewiesen, die zweimonatige Bearbeitungsfrist sei jedoch nicht erwähnt worden. Auch sonst ergebe sich aus den Mahnungen nur, daß die Abrechnung nicht mehr im laufenden Quartal berücksichtigt werden könne. Erst als es zu spät gewesen sei, sei sie auf die Bearbeitungsfrist hingewiesen worden. Auch habe der Abrechnungsstellenleiter, Herr Albers, die Abrechnung am 09.09.1996 na...

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