Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitigkeiten zwischen Krankenkassen und Hilfsmittellieferanten über Leistungserbringung. Rechtsweg. Sozialgerichtsbarkeit. Hilfsmittelabgabe. vorherige Genehmigung durch Krankenkasse. keine Annahme von vertragsärztlichen Verordnungen durch Hilfsmittelerbringer bei Fehlen eines Hilfsmittellieferungsvertrages. Krankenkasse. Anspruch auf Herausgabe vertragsärztlicher Verordnungen bei nicht zugelassenen Leistungserbringern

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für Streitigkeiten zwischen gesetzlichen Krankenkassen und Hilfsmittellieferanten über die Berechtigung zur Erbringung von Leistungen an gesetzlich Krankenversicherte ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben.

2. Die Abgabe von Hilfsmitteln zu Lasten einer gesetzlichen Krankenkasse bedarf der vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse, falls in den Verträgen nach § 127 SGB 5 nichts anderes geregelt ist.

3. Unternehmen, die Hilfsmittel herstellen, dürfen vertragsärztliche Verordnungen nicht annehmen, wenn sie keinen Vertrag nach § 127 SGB 5 geschlossen haben.

4. Gesetzliche Krankenkassen haben einen Anspruch auf Herausgabe vertragsärztlicher Verordnungen gegenüber nicht zugelassenen Leistungserbringern.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 23. September 2009 wird abgeändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, alle im Besitz der Antragsgegnerin befindlichen oder zukünftig in deren Besitz gelangenden Verordnungen über Hilfsmittel der Produktgruppe 09 - mit Ausnahme des Anwendungsgebietes Haut - für Versicherte der Antragstellerin an die Antragstellerin herauszugeben.

Die Kosten des Antragsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000 €, derjenige für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin macht im Wege der einstweiligen Anordnung die Herausgabe ärztlicher Verordnungen geltend.

Die Antragstellerin ist eine gesetzliche Krankenkasse, deren Zuständigkeitsbereich sich auf den Freistaat Bayern erstreckt. Die Antragsgegnerin ist eine im Handelsregister des Amtsgerichts F. (HRB 580323) eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit Sitz in S.. Sie vertreibt im gesamten Bundesgebiet Elektrostimulationsgeräte und verfügte über eine Zulassung nach § 126 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der am 31. März 2007 geltenden Fassung (SGB V aF). Mit Beitrittserklärung vom 20. Dezember 2006 trat die Antragsgegnerin dem zwischen der Antragstellerin und dem Spitzenverband ambulante Nerven- und Muskelstimulation e.V. (sanum) geschlossenen “Rahmenvertrag gemäß § 127 SGB V„ bei. Gegenstand dieses Vertrages war die Versorgung von Versicherten der Antragstellerin mit Elektrostimulationsgeräten sowie Reparaturen, Wartungen, notwendigem Zubehör und Verbrauchsmaterial. Dieser Rahmenvertrag wurde von der Antragstellerin zum 31. März 2009 gekündigt. Die Antragstellerin führte dann eine Ausschreibung für einen Vertrag zur Versorgung ihrer Versicherten mit Elektrostimulationsgeräten (Produktgruppe - PG - 09 des Hilfsmittelverzeichnisses) durch. Dazu bildete sie neun Regionallose, und zwar acht Lose in Anlehnung an die Regierungsbezirke in Bayern und ein Los für die Versorgung von Versicherten der Antragstellerin mit Wohnsitz im Bundesgebiet außerhalb des Bundeslandes Bayern. Ein Bieter konnte für maximal drei Lose ein Angebot abgeben. Die Ausschreibung wurde durch Zuschlagserteilung für jedes der gebildeten Regionallose beendet. Die mit den Losgewinnern geschlossenen Verträge traten am 1. April 2009 in Kraft. Die Antragsgegnerin erhielt in keinem der Regionallose den Zuschlag.

Auch nach dem 1. April 2009 erhielt die Antragsgegnerin direkt, dh ohne Übermittlung durch die Versicherten, von Vertragsärzten Verordnungen für Versicherte der Antragstellerin über Hilfsmittel der PG 09 übersandt. Die Antragsgegnerin teilte daraufhin den Versicherten mit, dass die Antragstellerin dafür die Kosten nicht mehr übernehmen werde. Trotzdem werde die Antragsgegnerin das Hilfsmittel zusenden. Sie habe die Antragstellerin bereits über ihre Vorleistung informiert und hoffe auf eine moralische Entscheidung der Antragstellerin im Sinne ihrer Patienten.

Die Antragstellerin forderte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 16. April 2009 auf, eine bestimmte, vorformulierte Unterlassungserklärung abzugeben. Die Antragsgegnerin kam dieser Aufforderung nur teilweise nach. Sie gab mit Datum vom 20. April 2009 eine Unterlassungserklärung ab, in der sie sich wie folgt verpflichtete:

“Es zu unterlassen, gegenüber Versicherten der A. schriftlich oder in anderer Form zu behaupten,

- seit dem 01.01.2009 werden die Mitglieder der A. nur noch durch einen Billiglieferanten mit Hilfsmitteln versorgt;

- nicht jede der gesetzlichen Krankenkassen hat die Lieferung von Hilfsmitteln auf Billiglieferanten eingeschränkt.„

Außerdem hatte sich die Antragsgegnerin schriftlich an die Antragstelle...

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