Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zum Lebensunterhalt. einmaliger Bedarf. Wohnungserstausstattung. erneuter Bedarf aufgrund eines außergewöhnlichen Umstandes bzw besonderen Ereignisses. Entsorgung der Möbel infolge einer paranoiden Schizophrenie
Leitsatz (amtlich)
Eine Wohnungserstausstattung ist auch ohne äußere Änderung der Wohnsituation dann zu gewähren, wenn die bisherige Einrichtung aufgrund eines zeitlich eingrenzbaren außergewöhnlichen Umstandes bzw eines besonderen Ereignisses unvorhergesehen untergeht, der Grund für den Untergang außerhalb eines Abnutzungsverhaltens liegt und eine Ansparung zur Abdeckung des besonderen Bedarfsfalls daher nicht möglich war.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Juli 2018 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht eine einmalige Beihilfe nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für die Erstausstattung einer Wohnung im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt im Streit.
Die 1965 geborene Klägerin ist tschechische Staatsangehörige und lebt seit 1998 in Deutschland. Sie bezog zunächst Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von dem Jobcenter F..
Anfang 2016 traten bei der Klägerin verstärkt Symptome einer psychischen Erkrankung auf. Es bestanden Wahnwahrnehmungen, welche mit paranoiden Vergiftungs- und Beeinträchtigungsideen und auch mit halluzinatorischen Wahrnehmungen (Stimmenhören, Gespräche mit nicht anwesenden Personen sowie Engeln, Teufeln und Dämonen) einhergingen. Die Klägerin war davon überzeugt, dass ihre Wohnung und die darin befindlichen Möbel, der Hausrat und ihre persönliche Habe „vergiftet“ und „verflucht“ seien. Sie entsorgte daher weite Teile dieser Gegenstände einschließlich Kleidung und Ausweisdokumenten, obwohl diese objektiv betrachtet noch funktionsfähig waren. Zeitweise verweigerte die Klägerin auch die Nahrungsaufnahme, weil Jesus ihr zu essen und zu trinken verboten habe.
Nach Begutachtung der Klägerin durch Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. (Gutachten vom 21. Januar 2016) bestellte das Betreuungsgericht am 27. Januar 2016 eine Betreuerin für die Klägerin, deren Aufgabenkreis u.a. die Gesundheitsfürsorge, die Vermögensfürsorge, die Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern und Wohnungsangelegenheiten umfasst.
Im Rahmen eines mehrmonatigen stationären Aufenthalts im Zentrum für Psychiatrie E. wurde von dort die Diagnose einer paranoiden Schizophrenie mit sozialem Rückzug, inhaltlichen Denkstörungen, imperativen akustischen Halluzinationen sowie visuellen Halluzinationen gestellt.
Die Deutsche Rentenversicherung ... bewilligte der Klägerin daraufhin für die Zeit ab dem 1. September 2016 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis zum 31. Januar 2018. Mit Bescheid vom 17. Februar 2017 und Änderungsbescheiden vom 4. April 2017, 8. Juni 2017 und 8. Januar 2018 bewilligte die Beklagte Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII für die Zeit vom 1. September 2016 bis 31. Januar 2018.
Nach wiederholten Aufenthalten im Zentrum für Psychiatrie E. zog die Klägerin im Mai 2017 in eine neue Wohnung ein. Anlässlich dieses Umzugs beantragte sie am 8. Mai 2017 die Gewährung einer Beihilfe für die Erstausstattung einer Wohnung nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII. Sie besitze keinerlei Möbel und benötige Ersatz für die von ihr während der psychotischen Schübe verschenkten oder weggeschmissenen Gegenstände. Da sie in dieser Zeit nicht in der Lage gewesen sei, die Konsequenzen ihrer Handlungen abzuschätzen, sei ihr Antrag auf Erstausstattung so zu behandeln, als ob sie bisher keine Möbel besessen hätte.
Mit Bescheid vom 10. Mai 2017 lehnte die Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung aus, Leistungen nach § 31 SGB XII könnten nur erbracht werden, wenn es sich um eine sogenannte Erstausstattung handele. Bei der Klägerin handele es sich jedoch um einen Ergänzungsbedarf, der bereits mit dem Regelbedarf abgegolten sei. Damit bestehe kein Anspruch auf eine einmalige Beihilfe.
Hiergegen erhob die Klägerin am 4. Juni 2017 Widerspruch und führte unter Verweis auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) an, dass ausnahmsweise auch eine Ersatzbeschaffung einen Anspruch begründen könne. Erforderlich seien außergewöhnliche Umstände, die erheblich vom durchschnittlichen Bedarf abwichen und für den Hilfebedürftigen im Vergleich zu anderen Hilfebedürftigen ein Sonderopfer darstellten. Aufgrund der gesundheitlichen Situation der Klägerin sei dies vorliegend zu bejahen.
Nach dem Umzug der Klägerin erwarb ihr erwachsener Sohn, S. B., verschiedene Einrichtungsgegenstände (Stühle für 39,90 Euro zzgl. 9,90 Euro Versand, ein Bett für 296,91 Euro, ein Kleiderschrank für 79 Euro, Bes...