Leitsatz (amtlich)

Der Umstand, dass der Beklagte seinerzeit den Sachverhalt nicht umfassend ermittelt und auf dieser unsicheren Grundlage eine Herabsetzung des zuerkannten GdB getroffen hat, geht zu seinen Lasten, wenn die in der Vergangenheit liegenden tatsächlichen Verhältnisse nicht mehr vollständig aufgeklärt werden können (im Anschluss an LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.03.2019, L 13 SB 101/16, juris).

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 23.07.18 abgeändert und der Bescheid vom 26.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.11.2016 teilweise aufgehoben.

Der Grad der Behinderung beträgt über den 29.10.2015 hinaus 40.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten im Klage- und Berufungsverfahren zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin wehrt sich gegen die Herabsetzung des ihr zuerkannten Grades der Behinderung (GdB).

Mit Bescheid vom 30.10.2009 stellte der Beklagte bei der 1956 geborenen Klägerin den GdB mit 50 ab 29.01.2009 fest. Dem lag die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 25.10.2009 zu Grunde, in welcher, unter anderem gestützt auf den vorläufigen Entlassbericht des Krankenhauses B vom 14.03.2009 mit den Diagnosen eines Zustands nach brusterhaltender Therapie der rechten Mamma bei Mamma-Karzinom am 18.02.2009 (pT2, pN0, G3, L0, V0, R0, MX) und nach Resektion der rechten Mamma caudal und dorsal hautschalenförmig unter Mitnahme eines noch axillären Nachresektats am 11.03.2009, die Erkrankung der rechten Brust in Heilungsbewährung mit einem Einzel-GdB (zugleich auch Gesamt-GdB) von 50 bewertet und eine Nachprüfung für März 2014 empfohlen wurde.

Im Februar 2010 erfolgte bei der Klägerin die Entfernung der Eierstöcke wegen eines erblichen Karzinomrisikos.

Im Zuge des im April 2015 eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens von Amts wegen holte der Beklagte unter anderem eine Stellungnahme des behandelnden I ein, der unter dem 27.05.2015 bei der Klägerin eine Rezidivfreiheit und einen Eintritt der vollen Remission der Krebserkrankung bestätigte, Lymphstaubeschwerden verneinte und als verbliebene Auswirkungen lediglich Narbenschmerzen benannte. Der Beklagte zog weiterhin einen Bericht des Universitätsklinikums U vom 29.01.2015 bei, in welchem Hinweise auf ein Lokalrezidiv oder einen Zweittumor verneint wurden und berichtet wurde, aktuell bestünden keine Beschwerden seitens der Brust. In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 26.06.2015 wurde nach Eintritt der Heilungsbewährung der Teilverlust der rechten Brust mit einem Einzel-GdB von 10 und der Verlust der Eierstöcke mit einem weiteren Einzel-GdB von 10 und auch der Gesamt-GdB mit 10 bewertet.

Mit Bescheid vom 26.10.2015 hob der Beklagte nach vorheriger Anhörung den Bescheid vom 30.10.2009 mit Wirkung ab 29.10.2015 auf, da kein GdB von mindestens 20 mehr vorliege. Im Zuge des anschließenden Widerspruchsverfahrens gelangten Arztbriefe bzw. Stellungnahmen des V, vom 23.11.2015 (Diagnosen: Ein- und Durchschlafstörungen, Angst und depressive Störung, gemischt), der T, vom 05.01.2016, welche über eine Anpassungsstörung der Klägerin, sowie Hitzewallungen, Schlafstörungen, mangelhafte Konzentration und mangelhafte Krankheitsbewältigung berichtete, des B1 vom 29.01.2016, der über ein multifaktorielles Krankheitsbild mit physischen und zunehmend auch psychischen Belastungen berichtete und des O, vom 04.07.2016, der unter anderem über eine Coxarthrose, rechts größer als links, und ein chronisches Lumbalsyndrom berichtete, zu den Akten.

Die M bewertete die Gesundheitsbeeinträchtigungen der Klägerin in ihren Stellungnahmen vom 09.04.2016 und vom 23.07.2016 mit einem Gesamt-GdB von 30 (Teilverlust der rechten Brust: GdB 10, Verlust der Eierstöcke: GdB 10, seelische Störung, Depression, psychovegetative Störungen: GdB 30, klimakterisches Syndrom: GdB 10, Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks: GdB 10, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule: GdB 10, Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke: GdB 10). Mit Widerspruchsbescheid vom 03.11.2016 gab der Beklagte dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 26.10.2015 insoweit statt, als der GdB nunmehr 30 seit 29.10.2015 betrage und wies im Übrigen den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 10.11.2016 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben, mit der sie ihr Begehren auf Beibehaltung der Schwerbehinderteneigenschaft weiterverfolgt hat.

Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen. I hat unter dem 19.07.2017 über einen unauffälligen Verlauf der onkologischen Nachsorge seit Abschluss der Heilbehandlung, zuletzt im Februar 2017, berichtet. S hat unter dem 18.07.2017 in Vertretung des V bei Diagnosen unter anderem von Ein- und Durchschlafstörungen, Angst und depressiver Störung, gemischt, über eine Depression mit Tagesformschwankungen berichtet. B1 hat unter dem 31.07.2017 über eine wiederholt auftre...

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