Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem FRG in der gesetzlichen Rentenversicherung. Spätaussiedlereigenschaft. Bindungswirkung einer Entscheidung über die Ausstellung einer Bescheinigung nach § 15 Abs 1 BVFG. Vertriebeneneigenschaft. endgültiges Verlassen des Herkunftsgebietes
Orientierungssatz
1. Da die Entscheidung über die Ausstellung einer Bescheinigung nach § 15 Abs 1 BVFG für alle Behörden und Stellen verbindlich ist, die für die Gewährung von Rechten oder Vergünstigungen als Spätaussiedler nach diesem oder einem anderen Gesetz zuständig sind, kann der Nachweis der Spätaussiedlereigenschaft allein durch eine solche, bindende Bescheinigung erbracht werden (vgl LSG Stuttgart vom 17.9.2009 - L 10 R 3223/07).
2. Zum endgültigen Verlassen des Herkunftsgebietes (hier: verneint) als Voraussetzung für die Anerkennung der Vertriebeneneigenschaft nach § 1 Abs 2 Nr 3 BVFG (in der bis zum 30.6.1990 geltenden Fassung).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 23. April 2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer höheren Altersrente unter Anerkennung der in U zurückgelegten Beschäftigungszeiten vom 13. Juli 1960 bis 1. August 1961 und 1. August 1965 bis 14. August 2000 als Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG).
Die 1943 in B geborene Klägerin arbeitete in U vom 13. Juli 1960 bis 1. August 1961 in einem Zementwerk, vom 1. August 1965 bis August 1992 in der Gemeindeverwaltung bzw. als Grundschullehrerin und vom 1. August 1996 bis 14. August 2000 erneut als Grundschullehrerin.
Am 1. Februar 1990 reiste die Klägerin gemeinsam mit ihrem Ehemann auf der Grundlage einer am 12. Oktober 1989 von dem Beigeladenen erteilten Übernahmegenehmigung von U in die Bundesrepublik Deutschland ein. Ein Antrag auf Einbeziehung als Aussiedler in die Verteilung nach der Verordnung über die Bereitstellung von Durchgangslagern und über die Verteilung der in das Bundesgebiet aufgenommenen deutschen Vertriebenen auf die Länder des Bundesgebietes - Verteilungsordnung - vom 28. März 1952 wurde vom Beigeladenen mit Bescheid vom 14. Februar 1990 zur weiteren Sachverhaltsermittlung ausgesetzt. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, es habe nicht eindeutig festgestellt werden können, ob und inwieweit sich die Eltern des Ehemannes der Klägerin und der Klägerin vor 1945 noch zum deutschen Volkstum bekannt hätten. Die Eheleute hätten vorerst ihre ungarische Staatsangehörigkeit nicht aufgeben wollen. Sie seien darauf hingewiesen worden, dass sie beim örtlich zuständigen Vertriebenenamt/Ausgleichsamt ein Feststellungsverfahren nach dem BVFG betreiben könnten. Im Bescheid wird außerdem u.a. erwähnt, die Klägerin und ihr Ehemann hätten sich schon früher unzählige Male in Deutschland und anderen westlichen Ländern aufgehalten und sich jetzt entschlossen, von dieser Reise ins Bundesgebiet nicht mehr nach U zurückzukehren, sondern hier ständigen Aufenthalt zu nehmen und hierfür humanitäre Gründe angegeben. Sie wollten sich zu einem alleinstehenden Verwandten begeben, der keine weiteren Verwandten mehr habe.
Im März 1990 reiste die Klägerin - ohne einen Antrag auf Ausstellung eines Vertriebenenausweises zu stellen - mit ihrem Ehemann aufgrund einer Erkrankung ihres Vaters zurück nach U, wo sie im weiteren Verlauf - nach dem Tod ihres Vaters - ihre Mutter pflegte und weiterhin (ab April 1990) in der Gemeindeverwaltung bzw. als Grundschullehrerin beschäftigt war (zunächst bis Schuljahresende 1992). Ihr Ehemann war bereits seit 1992 in Deutschland erwerbstätig; der einzige Sohn studierte in Deutschland und ist seit 1995 mit einer Deutschen verheiratet. Mit Schreiben vom 30. Dezember 1996 teilte der Beigeladene dem Sohn der Klägerin mit, die Klägerin könne aus der Übernahmegenehmigung vom 12. Oktober 1989 keine Rechte mehr herleiten. Diese habe nur zur einmaligen Einreise nach Deutschland berechtigt, um die endgültige Feststellung der Aussiedlereigenschaft bei der örtlich zuständigen Behörde zu betreiben und sei 1990 mit der Vorsprache bei dem Beigeladenen bereits in Anspruch genommen worden.
Aufgrund eines Vergleichs im verwaltungsgerichtlichen Verfahren 10 K 5388/00 erteilte der Beigeladene der Mutter der Klägerin am 3. März 2004 einen Aufnahmebescheid nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG). Mit Bescheid vom 27. Dezember 2004 bezog der Beigeladene die Klägerin in den Aufnahmebescheid der Mutter ein, nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 16. Juli 2004 und 14. August 2004 erklärt hatte, sie begehre nicht die Aufnahme als Spätaussiedlerin. Am 12. September 2005 siedelte die Klägerin gemeinsam mit ihrer Mutter nach Deutschland über.
Mit Bescheinigung vom 14. Oktober 2005 erkannte der Beigeladene die Klägerin auf ihren Antrag nach § 15 A...