nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenhilfe. Vermögen. Sparkonto. Verdeckte Treuhand. Rechtsschein. Grobe Fahrlässigkeit. Fehlerhafte Einschätzung der Rechtslage
Leitsatz (redaktionell)
Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung kann sich ein Arbeitsloser nicht darauf berufen, das auf seinem Sparkonto vorhandene Guthaben habe aufgrund einer Treuhandabrede nicht ihm, sondern einem Dritten zugestanden, wenn er die Abrede nicht nach außen im Rechtsverkehr offengelegt hat.
Normenkette
AFG § 134 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1, 3, § 137 Abs. 2; SGB III § 193 Abs. 2, § 330 Abs. 2, § 335 Abs. 1; AlhiV §§ 6, 9; SGB X §§ 24, 41 Abs. 1 Nr. 3, § 45 Abs. 1, 2 S. 2 Nr. 2, Abs. 4 S. 2, § 50 Abs. 1; BGB § 398
Verfahrensgang
SG Heilbronn (Entscheidung vom 28.11.2003; Aktenzeichen S 6 AL 836/99) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 28. November 2003 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 30. Juni bis 21. Dezember 1994.
Der 1953 geborene Kläger, Diplombetriebswirt (FH), war nach Abschluss seines Studiums vom 1. Juli 1989 bis 31. Dezember 1992 und vom 1. Januar bis 31. März 1993 (vornehmlich) als Sachbearbeiter in der Steuerberatung und vom 1. April bis 30. Juni 1993 als kaufmännischer Leiter (Bruttogehalt bis 31. Dezember 1992: 5000 DM, bis 31. März 1993: 6250 DM, bis 30. Juni 1993: 7000 DM) versicherungspflichtig beschäftigt. Am 1. Juli 1993 meldete er sich arbeits-los und beantragte Arbeitslosengeld, das ihm bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 30. Juni 1994 gezahlt wurde (Anspruchsdauer 312 Tage, Leistungsgruppe C, Kindermerkmal 1, wöchent-licher Leistungssatz 711,60 DM, Bemessungsentgelt 1620 DM wöchentlich, Leistungstabelle 1993, Leistungssatz 68 v.H.; Änderung ab 1. Januar 1994: wöchentlicher Leistungssatz 686,40 DM, Leistungstabelle 1994, Leistungssatz 67 v.H.).
Am 10. Juni 1994 beantragte der Kläger Arbeitslosenhilfe. Dabei gab er an, über Vermögen (u.a. Bankguthaben) verfügten er und seine Ehegattin nicht (S. 2 Nr. 8 des Arbeitslosenhilfeantrags Verwaltungsakte S. 15). Die gleichen Angaben machte er im Fortzahlungsantrag vom 12. Juni 1995. Am 04. März 1996 teilte der Kläger mit, er sei ab 1. Juli 1996 selbstständig erwerbstätig. Am 27. Dezember 1996 meldete er sich zum 1. Januar 1997 erneut arbeitslos und beantragte Arbeitslosenhilfe.
Arbeitslosenhilfe wurde dem Kläger durch Bescheid vom 24. Juni 1994 ab 30. Juni 1994 wie folgt bewilligt: Leistungsgruppe C, Kindermerkmal 1, wöchentlicher Leistungssatz 584,40 DM, täglicher Leistungssatz 97,40 DM, Bemessungsentgelt 1620 DM, Leistungstabelle 1994, Leis-tungssatz 57 v.H. (Änderung ab 1. Juli 1994: wöchentlicher Leistungssatz 600,60 DM, täglicher Leistungssatz 100,10 DM, Bemessungsentgelt 1670 DM; Bescheid vom 13. Juli 1994). Arbeits-losenhilfe in dieser Höhe bezog der Kläger bis 31. Dezember 1994.
Unter dem 9. Juni 1998 teilte die Beklagte dem Kläger mit, nach ihren Unterlagen seien für ihn und seine Ehefrau insgesamt drei Freistellungsaufträge erteilt worden. Daraufhin gab der Kläger mit Schreiben vom 25. Juni 1998 an, bei der D. Bank und bei der Kreissparkasse gebe es Gutha-ben von 14,61 DM bzw. 10,19 DM; das sei vergessen worden. Die ursprünglich erteilten Frei-stellungsaufträge hätten sich automatisch verlängert. Das Sparguthaben bei der D.Bank habe sich von 1994 bis zur Auflösung nur um Pfennigbeträge verändert. Sparguthaben bei der D. Bank (Sparbuch Nrn. und) mit Habensaldo am 14. Oktober 1994 von 45.385,40 DM bzw. 12.000 DM hätten er und seine Ehefrau im Jahr 1993 zur Tilgung gemeinsamer Schulden an J. S. übertragen. Da er deshalb materiell-rechtlich nicht Inhaber dieser Guthaben gewesen sei, hätten sie bei der Bedürftigkeitsprüfung auch nicht berücksichtigt werden müssen.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Kläger mit Schreiben vom 20. Juli 1998 ergänzend mit, J. S. sei sein Bruder. Er habe den Lebensunterhalt seiner Familie während der Hochschulausbil-dung von 1983 bis 1988 teilweise durch die Aufnahme eines Darlehens bei seinem Bruder finan-ziert. Dabei seien Schulden in Höhe von insgesamt 72.800 DM aufgelaufen (1983: 9400 DM, 1984: 14.200 DM, 1985: 12.100 DM, 1986: 12.300 DM, 1987: 10.600 DM, 1988: 14.200 DM). Das Schreiben endet wie folgt: "Bestätigung des Darlehens und der ausgezahlten Beträge (Un-terschrift) J. S.".
Ohne vorherige Anhörung hob die Beklagte mit Bescheid vom 10. Dezember 1998 den Bescheid vom 20. Juni 1994 über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 30. Juni bis 21. Dezember 1994 gemäß § 45 Abs. 1 und 2 Satz 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i. V. m. § 138 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) auf und verlangte die Erstattung zu Unrecht bezo-gener Arbeitslosenhilfe in Höhe von 15.012,30 ...