Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarzt. Anfechtung der Genehmigung einer Dialysezweigpraxis. Sonderregelungen der Bundesmantelverträge. Genehmigung von Nebenbetriebsstätten. Konkurrenz in der selben Versorgungsregion. keine Gleichsetzung mit der der bloßen Genehmigung eines weiteren Leistungsbereichs. rechtliche Zuweisung des Vorrangs zur Bedarfsdeckung. Befugnis zur Einlegung von Rechtsmitteln durch einfach Beigeladene
Orientierungssatz
1. Soweit die Partner der Bundesmantelverträge Sonderregelungen für Dialysezweigpraxen getroffen haben, stehen dem die allgemeinen Bestimmungen des § 24 Abs 3 Ärzte-ZV über Nebenbetriebsstätten nicht entgegen; beide Regelwerke ergänzen sich vielmehr, ohne dass § 24 Abs 3 Ärzte-ZV Sperrwirkung für die mantelvertragliche Statuierung zusätzlicher Genehmigungsvoraussetzungen zukäme. Daran ändert die planungsbereichsübergreifende Zulassung von Nebenbetriebsstätten in § 24 Abs 3 S 2 Ärzte-ZV nichts.
2. Im Hinblick auf den Zweck und den daran ausgerichteten Zuschnitt der Dialyseversorgungsregionen in § 6 Anl 9.1 BMV-Ä/EKV-Ä bewirkt eine in die Versorgungsregion eindringende fremde (Dialyse-)Zweigpraxis eine für die Berufsfreiheit des vorhandenen Arztes grundrechtliche relevante tatsächliche Wettbewerbslage.
3. Die Genehmigung einer Dialysezweigpraxis kann damit der bloßen Genehmigung eines weiteren Leistungsbereichs nicht gleichgesetzt werden. Ihr kommt namentlich unter grundrechtlichem Blickwinkel eine andere Qualität zu.
4. Indem dem vorhandenen Leistungserbringer der Vorrang zur Bedarfsdeckung rechtlich zugewiesen wird, erhält sein (tatsächliches) Interesse an der Abwehr weiterer Leistungserbringer rechtliche Durchsetzungsmacht im Sinne eines subjektiv-öffentlichen Rechts. Davon ist auszugehen, wenn eine Dialysezweigpraxis in der Versorgungsregion einer anderen Dialyseeinrichtung genehmigt werden soll.
5. § 75 Abs 4 S 2 SGG schränkt die verfahrensrechtlichen Befugnisse des einfach Beigeladenen ein und bindet ihn hinsichtlich der Sachanträge an das Prozessverhalten der Hauptbeteiligten. Die Befugnis zur Einlegung von Rechtsmitteln bleibt davon unberührt.
Tenor
Die Berufung des Beigeladenen Nr. 6 gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 2.4.2008 wird zurückgewiesen.
Der Beigeladene Nr. 6 trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen Nr. 1 bis 5.
Der Streitwert wird auf 15.000 € festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Genehmigung einer Zweigpraxis.
Die Dres. K. Sch. und W., Internisten mit Schwerpunktbezeichnung Nephrologie, nehmen an der vertragsärztlichen Versorgung teil; sie betreiben eine Gemeinschaftspraxis - die Klägerin - in A im K 2.
Mit Bescheid vom 30.4.1999 (SG-Akte S. 24) erteilte die Beklagte Dr. R. (vgl. jetzt Beigeladener Nr. 6), der mit Sitz in H ebenfalls an der vertragsärztlichen Versorgung teilnahm, zum 1.4.1999 eine widerrufliche Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von Leistungen der Dialyse zur Behandlung von Hämodialysepatienten als Zentrumsdialyse am Standort der Dialyseeinrichtung S 33 in H sowie als zentralisierte Heimdialyse (LC) in E und M. Mit Bescheid vom 1.10.2003 (SG-Akte S. 28) erteilte die Beklagte der Gemeinschaftspraxis Dres. R., B. und S. eine bis 8.5.2013 befristete Genehmigung zur Durchführung von Versorgungsaufträgen mit Dialyse an den Betriebsstätten E und M. In dem Bescheid ist ausgeführt, nach Abs. 1 b Anhang 9.1.5 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV/EKV-Ä) müsse die projektierte Zweigpraxis in der Versorgungsregion der bestehenden Dialysepraxis liegen. Das sei hier nicht der Fall. Die Dialysepraxis befinde sich in H, während die Zweigpraxen im 42 km entfernten M bzw. im 36 km entfernten E lägen. Beide Orte lägen nicht in der Versorgungsregion der Dialysepraxis in H. Deswegen könne nur eine Genehmigung für die Dauer von 10 Jahren ab Inkrafttreten der (mantelvertraglichen) Vereinbarung erteilt werden. Mit weiterem Bescheid vom 1.4.2004 (SG-Akte S. 30) genehmigte die Beklagte der Gemeinschaftspraxis Dres. R., B. und S. in H für den Vertragsarztsitz in H mit sofortiger Wirkung die Verlegung der bereits befristet genehmigten Zweigpraxis von M nach S zur Durchführung von Versorgungsaufträgen mit Dialyse bis zum 8.5.2013; die projektierte Zweigpraxis liege nicht in der Versorgungsregion der Dialysepraxis (Entfernung von H nach S 29,3 km), weshalb die Genehmigung befristet erteilt werde (Zu den regionalen Verhältnissen vgl. auch die Ablichtung einer ≪allgemeinkundigen≫ Straßenkarte Bl. 119 LSG-Akte).
Unter dem 13.10.2005 beantragte die Klägerin die Genehmigung einer (Dialyse-)Zweigpraxis in S. Diese werde in den Räumen der S in M entstehen. Die Behandlung und Versorgung ambulanter Dialysepatienten könne am 9.5.2006 beginnen. Die ärztliche Versorgung werde durch die Mitglieder der Gemeinschaftspraxis erfolgen. Die Zweigpraxis in S/M liege in ihrer Versorgungsregion und sei von A aus in 25 Minuten erreichbar. Ziel sei es, die Versorgung der Dialysepati...