Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausapotheke. ambulante Abgabe von Fertigarzneimitteln im Krankenhaus. keine Anwendbarkeit des ermäßigten Steuersatzes von 7 % nach derzeitiger Erlasslage der Finanzverwaltung. Voraussetzung eines Rückzahlungsanspruchs der Krankenkasse hinsichtlich der Differenz zwischen Regelsteuersatz und ermäßigtem Steuersatz. ausdrückliche Verneinung der Anwendbarkeit des Regelsteuersatzes durch die Finanzverwaltung
Leitsatz (amtlich)
1. Aus der derzeitigen Erlasslage der Finanzverwaltung ergibt sich nicht, dass auf die ambulante Abgabe von Fertigarzneimitteln im Krankenhaus der ermäßigte Steuersatz von 7 % anzuwenden ist.
2. Voraussetzung eines Rückzahlungsanspruchs der Krankenkasse hinsichtlich der Differenz zwischen Regelsteuersatz und ermäßigtem Steuersatz ist, dass die Steuerverwaltung die Anwendbarkeit des Regelsteuersatzes mit Wirkung für die streitbefangenen Jahre (hier 2010-2012) klar verneint, so dass der Krankenhausträger ohne Prozess etwaige Rückzahlungsansprüche einfach und risikolos durchsetzen kann.
3. NZB beim BSG anhängig unter B 1 KR 5/21 B.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21.03.2017 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird endgültig auf 6.715,98 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rückzahlung der Umsatzsteuer für von der Krankenhausapotheke abgegebene Fertigarzneimittel.
Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenkasse. Die Beklagte ist Trägerin eines in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts geführten, zur Behandlung gesetzlich Versicherter zugelassenen, psychiatrischen Fachkrankenhauses und einer psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) gemäß § 118 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Es werden an ihrem Krankenhaus zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigte Krankenhausärzte (§ 116 SGB V) tätig. Sie betreibt eine Krankenhausapotheke und ist hierfür im Besitz einer apothekenrechtlichen Betriebserlaubnis nach § 14 Abs. 1 Apothekengesetz (ApoG).
Zwischen den Beteiligten besteht ein unter dem 26.05.2004 geschlossener Vertrag nach § 129a SGB V über die Abgabe von Arzneimitteln von der Krankenhausapotheke an Versicherte im Rahmen von § 14 Abs. 4 ApoG. In § 5 Abs. 3 des Vertrages ist vereinbart, dass sich die vereinbarten Beträge um den jeweils geltenden Mehrwertsteuersatz erhöhen. In Anlage 4 des Vertrages nach § 129a SGB V (Preisvereinbarung; in der Folgefassung Fußnote zu § 5 Abs. 3) ist vereinbart, dass bei fehlender Möglichkeit des Vorsteuerabzugs die Umsatzsteuer fiktiv aufzuschlagen ist, wenn die Abgabe durch die Krankenhausapotheke nicht umsatzsteuerpflichtig ist. In § 7 des Vertrages nach § 129a SGB V ist vereinbart, dass rechnerische und sachliche Beanstandungen von beiden Seiten nur innerhalb einer Frist von 12 Monaten nach Ende des Kalendermonats, in dem die Rechnungsstellung erfolgte, geltend gemacht werden können.
Die Krankenhausapotheke der Beklagten gab durch Ärzte der PIA und ermächtigte Krankenhausärzte an Versicherte der Klägerin in den Jahren 2010, 2011 und 2012 Fertigarzneimittel (Ampullen und Fertigspritzen) zur ambulanten Behandlung ab. Die Beklagte rechnete die Kosten gegenüber der Klägerin auf Grundlage des zwischen den Beteiligten bestehenden Vertrages nach § 129a SGB V ab. Die Klägerin beglich die Rechnungen unter Ansatz eines Umsatzsteuersatzes in Höhe von 19 %.
Am 30.12.2014 hat die Klägerin beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben und die Rückzahlung der Umsatzsteuer geltend gemacht. Zur Begründung hat sie vorgetragen, Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen sowie eng mit diesen Behandlungen verbundene Umsätze seien nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Umsatzsteuergesetz (UStG) grundsätzlich umsatzsteuerfrei. Das Finanzgericht Münster habe bereits am 12.05.2012 entschieden, dass die Abgabe von Zytostatika durch eine Krankenhausapotheke auch im Rahmen einer ambulanten Heilbehandlung umsatzsteuerfrei sei. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe das Verfahren dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt, der mit Urteil vom 13.03.2014 (C-366/12) entschieden habe, dass die Abgabe von Zytostatika nur dann umsatzsteuerfrei sein könne, wenn sie „in tatsächlicher und wirtschaftlicher Hinsicht von der Hauptleistung der ärztlichen Heilbehandlung untrennbar“ sei. Der BFH habe daraufhin mit Urteil vom 24.09.2014 (V R 19/11) entschieden, dass nicht nur Zytostatika von der Umsatzsteuerpflicht befreit seien, sondern jedes im Krankenhaus abgegebene Arzneimittel, das nach § 129a SGB V abgerechnet worden sei, soweit es für den verfolgten therapeutischen Zweck unentbehrlich sei. Der BFH habe weiter ausgeführt, dass hierzu „auch“ die Verabreichung von für den Patienten individuell hergestellten Arzneimittel zur Durchführung einer Heilbehandlung im Krankenhaus gehöre. Aus der Rechtsprechung ergebe sich a...