Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtliches Verfahren. Rechtskraftwirkung. Entscheidung gem § 131 Abs 3 SGG. erneute Ablehnung einer Abfindung nach Verurteilung zur Neubescheidung. maßgeblicher Zeitpunkt. Berücksichtigung etwaiger Änderungen der Sach- und Rechtslage nach Erlass des aufgehobenen Bescheides. Entscheidungsgegenstand
Orientierungssatz
1. Die Rechtskraftwirkung iS des § 141 Abs 1 SGG und ihre Grenzen können - jedenfalls bei einer nach § 131 Abs 3 SGG ergehenden Entscheidung - nicht allein der Urteilsformel entnommen werden. Wird nach § 131 Abs 3 SGG ein Bescheid aufgehoben und die Verurteilung zur Erteilung eines neuen Bescheides "unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts" ausgesprochen, so bestimmen vielmehr erst die das Urteil tragenden Gründe - die im Urteil zum Ausdruck gebrachte, für die Entscheidung maßgebende Rechtsauffassung des Gerichts - den Umfang und die Grenzen der Rechtskraftwirkung.
2. Der allgemein geltende Grundsatz, dass bei Ermessensentscheidungen der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit oder Rechtmäßigkeit immer der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung und nicht der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung ist, steht nicht dem (auch) allgemein geltenden Grundsatz entgegen, dass die Beklagte bei Erlass des neuen Verwaltungsaktes (nach Verurteilung zur Neubescheidung durch das SG) etwaige Änderungen (auch bezüglich des medizinischen Sachverhalts) berücksichtigen muss. Bei einer Änderung der zugrunde liegenden Sach- oder Rechtslage entfällt dementsprechend die Bindung an etwaige tragende Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung.
3. Ausführungsbescheide, dh Verwaltungsakte, die ausschließlich das erstinstanzliche Urteil ausführen, werden nicht gem § 96 SGG Gegenstand des bezüglich der erstinstanzlichen Entscheidung anhängigen Berufungsverfahren.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. April 2004 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Abfindung seiner Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Der 1947 geborene Kläger, welcher seit dem 01.02.1995 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält, zog sich im Rahmen seiner Tätigkeit als Zimmermann am 11.09.1980 u.a. diverse Rippenfrakturen und eine Kontusionspneumonie beiderseits zu. Im Rahmen einer stationären Behandlung (mit Bluttransfusionen) wurde eine Hepatitis B-Infektion festgestellt. Die Beklagte lehnte zunächst die Anerkennung des Zustandes nach Gelbsucht als Unfallfolge ab und bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 27.01.1983 (nachfolgend Widerspruchsbescheid vom 24.11.1983) Rente ab dem 01.03.1981 bis zum 10.06.1981 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 45 v. H. und ab dem 11.06.1981 nach einer MdE um 30 v. H. (anerkannte Unfallfolgen: Brustfellverwachsungen mit Ventilationsstörungen der Lunge). Im anschließenden Klageverfahren (S 8 U 4078/83) vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) anerkannte die Beklagte auch die Posttransfusionshepatitis Non A Non B in Form einer Minimalhepatitis als mittelbare Unfallfolge bei gleichbleibender Gesamt-MdE (Schriftsatz vom 21.03.1985) und erklärte sich bereit, die MdE auf 40 v. H. ab dem 11.06.1981 festzusetzen (Schriftsatz vom 29.07.1985). Die Beklagte entzog die Verletztenrente mit Bescheid vom 27.10.1986 mit Ablauf des Monates November 1986 mit der Begründung, die anerkannte Posttransfusionshepatitis Non A - Non B in Form einer Minimalhepatitis bedinge lediglich eine MdE von 10 v. H. Im gerichtlichen Vergleich 30.04.1987 verpflichtete sich die Beklagte, dem Kläger Verletztenrente vom 11.06.1981 bis zum 30.11.1986 nach einer MdE von 40 v. H. zu gewähren. Der Kläger verzichtete auf “weitergehende Rentenansprüche„.
Den Antrag des Klägers vom Februar 1989 auf erneute Gewährung einer Verletztenrente lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.07.1989 ab. Auf den weiteren Verschlimmerungsantrag des Klägers vom Februar 1991 holte die Beklagte das internistische Gutachten von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. O. (Klinik W.) vom 14.10.1991 mit der ergänzenden Stellungnahme vom 04.12.1991 ein und bewilligte mit Bescheid vom 16.01.1992 Verletztenrente ab dem 01.01.1991 nach einer MdE von 20 v. H. Als Folgen des Arbeitsunfalles anerkannte die Beklagte chronisch persistierende Virushepatitis C (als Posttransfusionshepatitis). Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte das Gutachten von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. O. vom 21.05.1993 ein, die internistische Stellungnahme nach Aktenlage von Dr. L. und Dr. G. (Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik M.) vom 20.12.1993 und bewilligte mit Bescheid vom 01.09.1994 Verletztenrente ab dem 28.03.1993 nach einer MdE von 30 v. H. Sie anerkannte als Folge des Arbeitsunfalles eine deutlich aktive Virushepatitis C (Grenzbefund zwischen chronisch-persistierender und chronisch-aggressiver Hepatitis). Im übrigen wies die Beklagte den Widersp...