Entscheidungsstichwort (Thema)
Honorarverteilungsmaßstab. Fallzahlzuwachsbegrenzung. Festschreibung. Fallpunktzahl. Punktzahlfallwert. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
Festgeschriebene Fallpunktzahlen und festgeschriebene Punktzahlfallwerte für einzelne Budgets, die jedwede Vergrößerung einer ärztlichen Praxis ausschliessen, sind mit Art 12 Abs 1 GG nicht vereinbar.
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des dem Kläger in den Quartalen 3/97 und 4/97 zustehenden Honorars, für die die Beklagte eine Fallzahlzuwachsbegrenzung in Anwendung gebracht hat, streitig.
Der Kläger ist seit 1993 in Stuttgart als Kinderarzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Im Quartal 3/97 reichte er 1452 Behandlungsausweise (FG: 1109 Fälle) im Quartal 4/97 1442 Behandlungsausweise (FG: 1123 Fälle) ein.
Für das Quartal 3/97 erteilte die Beklagte mit Bescheid vom 12.01.1998 die Gesamthonorarabrechnung. Hierbei vergütete sie 211 Fälle nicht. Bei einem Fallwert von 817,85 Punkten wurden 172.566,35 Punkte nicht vergütet.
Der Kläger erhob Widerspruch: Durch die Honorarkürzung habe er eine Einnahmeneinbuße von ca. 13.800,00 DM. Bei ihm liege eine völlig normale Fallzahlentwicklung seit der Praxisgründung vor. Die Fallzahlzuwachsbegrenzung habe für die Zukunft zur Folge, dass er viele Patienten zurückweisen müsse, was mit freier Arztwahl der Patienten und freier Entwicklung der ärztlichen Praxis nicht in Einklang stehe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Aufgrund der zum 01.07.1997 im Rahmen des EBM eingeführten Praxisbudgets sei eine grundlegende Überarbeitung des HVM notwendig gewesen. Um einen nicht nachvollziehbaren Anstieg der Fallzahlen auf Grund der neuen Struktur des EBM zu vermeiden, sei als Anlage 2 zum HVM eine Fallzahlzuwachsbegrenzung eingeführt worden (Beschlüsse der Vertreterversammlung vom 19.03.1997 und 18.06.1997). Für die Zeit ab 01.07.1998 unterlägen die von den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten zur Abrechnung eingereichten Fälle einer Fallzahlzuwachsbegrenzung. Diese komme zum Tragen, wenn in der Arztgruppe des Vertragsarztes die Fallzahl insgesamt gegenüber den Vorjahresquartal um mehr als die Veränderungsrate des nach Kopfpauschalen berechneten Gesamtvergütungsanteils angestiegen sei. Die Fallzahlgrenze für das Jahr 1997 ergebe sich aus der Fallzahl des Vertragsarztes aus den jeweiligen Quartalen des Jahres 1996. Zusätzlich zur Fallzahlgrenze werde eine Fallzahlzuwachstoleranz zugestanden. Diese werde ermittelt, indem die durchschnittliche Fallzahl des entsprechenden Vorjahresquartals der betreffenden Arztgruppe mit der Veränderungsrate des nach Kopfpauschalen berechneten Gesamtvergütungsanteils multipliziert werde. Die Veränderungsrate habe 1997 1% betragen. Der Kläger habe die Fallzahlzuwachstoleranz überschritten, weshalb nicht alle eingereichten Fälle hätten berücksichtigt werden können.
Mit Bescheid vom 09.04.1998 erteilte die Beklagte die Gesamthonorarabrechnung 4/97. Wegen der Fallzahlzuwachsbegrenzung vergütete die Beklagte 94 Fälle nicht. Hieraus resultierte eine Minderung der Honoraranforderung von 77.894,98 Punkten. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.09.1998 unter Wiederholung der Begründung des Bescheides vom 27.04.1998 zurück.
Am 22.05.1998 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Stuttgart erhoben. Er hat darauf hingewiesen, gegen den Honorarbescheid 4/97 habe er aus gleichen Gründen Widerspruch eingelegt, er beantrage, nach Möglichkeit die beiden Sachen zu verbinden. Zur Klagebegründung hat er vorgetragen, der Fallzahlzuwachsbegrenzung fehle es an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Soweit das BSG höhere Verteilungsregelungen gebilligt habe, habe es sich um andersartige Regelungen gehandelt. Die Fallzahlzuwachsbegrenzung führe nicht zu einer Verteilung, sondern dazu, dass ohne jegliche Ausgleichsregelungen und ohne Berücksichtigung des bisherigen Punktzahlverbrauchs die Fallzahlen ab einer bestimmten, sehr knapp bemessenen Fallzahlgrenze abgeschnitten würden, ohne dass eine Abfederung erfolge. Die Regelung lasse den Leistungsumfang völlig außer Acht, was nach der Rechtsprechung des BSG unzulässig sei. Weiter seien Praxen mit unterdurchschnittlichen Fallzahlen benachteiligt, weil sie keine Gelegenheit hätten, auf durchschnittliche Fallzahlen zu kommen. Planungs- und Kalkulationssicherheit gebe die Fallzahlzuwachsbegrenzung nicht, weil der Arzt nicht wisse, wieviel Fälle er vergütet bekomme. Die geringe Fallzahlzuwachstoleranz von nur 1% begegne erheblichen Bedenken. Im Quartal 3/97 hätten Kinderärzte gerade mal elf Fälle mehr behandeln können. Dies stehe einer 6%igen Steigerung der Geburtenrate gegenüber. Zudem sei die Hepatitis-B-Impfung neu eingeführt worden. Des Weiteren würden zur Ermittlung der Fallzahlzuwachsbegrenzung alle zur Abrechnung eingereichten Fälle herangezogen, darin enthalten seien auch Not-...