Entscheidungsstichwort (Thema)
Honorarverteilungsmaßstab. Fallzahlzuwachsbegrenzung. Festlegung der Fallzahlgrenze an Vorjahresquartalen. Honorarverteilungsgerechtigkeit. Nichtberücksichtigung. Gesamthonorar
Orientierungssatz
1. Bei der Festlegung der Fallzahlgrenze im Rahmen der Fallzahlzuwachsbegrenzung darf nicht der allein auf die Fallzahl des Vertragsarztes aus den jeweiligen Quartalen des Vorjahres ohne Rücksicht auf die durchschnittliche Praxisgröße der Arztgruppe abgestellt werden.
2. Regelungen, die den Vergütungsanspruch eines Vertragsarztes auf das in früheren Zeiträumen erreichte Leistungsvolumen beschränken, sind mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit unvereinbar, soweit sie zur Folge haben, daß Vertragsärzte mit unterdurchschnittlicher Fallzahl ihren Umsatz durch eine Erhöhung der Zahl der von ihnen behandelten Patienten nicht zumindest bis zum durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe steigern können (vgl BSG vom 21.10.1998 - B 6 KA 71/97 R = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 = BSGE 83, 52).
3. Eine Anknüpfung ausschließlich an die Höhe der durchschnittlichen Punktzahl pro Behandlungsfall und nicht auch an die insgesamt angeforderte Punktzahl kann zur Folge haben, daß bei Praxen mit geringer Fallzahl, bei denen die Fallpunktzahl etwa wegen einer bestimmten Spezialisierung über dem Durchschnittswert lag, ungeachtet ihrer möglicherweise schlechten Ertragssituation Honorar abgeschöpft wird. Aus diesem Grund sind Honorarverteilungsregelungen, die das Gesamthonorar unberücksichtigt lassen unzulässig (vgl ua BSG vom 3.12.1997 - 6 RKa 21/97 = SozR 3-2500 § 85 Nr 23 = BSGE 81, 213).
Tatbestand
Streitig sind die Honorarabrechnungen der Klägerin für die Quartale 3/97 und 1/98. Die Klägerin wendet sich gegen die Kürzung ihrer Honoraranforderungen, die die Beklagte mit den Regelungen zur Fallzahlzuwachsbegrenzung in der Anlage 2 zu ihrem Honorarverteilungsmaßstab (HVM) begründet hat.
Die Klägerin war in den streitigen Quartalen als Hautärztin in ... niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. In den Anlagen zu den Honorarbescheiden vom 12.01.1998 und vom 09.07.1998 wurde ausgeführt:
-- Quartal 3/97: Von den 956 abgerechneten Behandlungsfällen vergütete die Beklagte 43 nicht, was eine Minderung der Honoraranforderung um 21.266,94 Punkte ergab. Im Vergleichsquartal 3/96 habe die individuelle Fallzahl der Klägerin 895 betragen. Unter Berücksichtigung der Fallzahlzuwachstoleranz in Höhe von 1 % der Durchschnittsfallzahl der Fachgruppe, d.h. 18 Fällen, könnten daher 913 Fälle abgerechnet werden. Die restlichen Fälle könnten dagegen nicht vergütet werden.
-- Quartal 1/98: Von den 997 abgerechneten Behandlungsfällen vergütete die Beklagte 108 nicht, was eine Minderung der Honoraranforderung um 53.172.72 Punkte ergab. Im Vergleichsquartal 1/97 habe die individuelle Fallzahl der Klägerin 871 betragen. Unter Berücksichtigung der Fallzahlzuwachstoleranz in Höhe von 1 % der Durchschnittsfallzahl der Fachgruppe, d.h. 18 Fällen, könnten daher 889 Fälle abgerechnet werden. Die restlichen Fälle könnten dagegen nicht vergütet werden.
Mit ihren Widersprüchen machte die Klägerin geltend, ihr sei wenigstens die durchschnittliche Fallzahl ihrer Fachgruppe (ca. 1800) zuzugestehen. Sie habe vier Kinder (geboren 1973, 1976, 1980 und 1985) und habe wegen der notwendigen Betreuung der Kinder viele Jahre lang ihren Beruf nur als Halbtagsarbeit ausgeübt. Inzwischen seien die beiden älteren Kinder Studenten und die jüngeren Kinder 17 und 11 Jahre alt. Seit September 1997 weite sie deshalb ihre Praxistätigkeit aus, um fließend zur Ganztagsarbeit überzugehen. Das sei durch ihre Zulassung gedeckt. Eine durchschnittliche Patientenzahl mit entsprechend durchschnittlicher Vergütung dürfe ihr somit nicht verwehrt werden. Die Verhältnisse nur eines Quartals, die auch von Zufälligkeiten und vorübergehenden Ereignissen bestimmt sein könnten, dürften nicht der Anknüpfungspunkt für den Umfang der zukünftigen ärztlichen Tätigkeit sein. In ihrem Fall verstoße die von der Beklagten getroffene Regelung auch gegen den in Art. 6 des Grundgesetzes (GG) garantierten Schutz der Familie.
Durch Widerspruchsbescheid vom 21.09.1998 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, aufgrund der Einführung der Praxisbudgets zum 01.07.1997 habe ihre Vertreterversammlung am 19.03.1997 als Ergänzung des HVM die Anlage 2 beschlossen. Durch das dort geregelte Verfahren zur Fallzahlzuwachsbegrenzung solle vermieden werden, daß es aufgrund der neuen Struktur des EBM zu einem nicht nachvollziehbaren Anstieg der Fallzahlen komme. Die Begrenzung komme zum Tragen, wenn in der Arztgruppe des Vertragsarztes die Fallzahl insgesamt gegenüber dem Vorjahresquartal um mehr als die Veränderungsrate des nach kopfpauschalen berechneten Gesamtvergütungsanteils angestiegen sei. Maßgebend für die Berechnung sei das entsprechende Vorjahresquartal zuzüglich einer Fallzahlzuwachstoleranz. Diese Regelungen seien hier zutreffen...