Entscheidungsstichwort (Thema)
Verneinung eines Arbeitsverhältnisses durch Arbeitsgericht. Bindungswirkung. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistung. Arbeitsgelegenheit. Angemessenheit der Mehraufwandsentschädigung. Wuchertatbestand nach § 138 Abs 2 BGB. Rückabwicklung gem §§ 812ff BGB
Orientierungssatz
1. Die Feststellung im arbeitsgerichtlichen Verfahren zwischen den Beteiligten, dass kein Arbeitsverhältnis besteht, hat Bindungswirkung auch für das sozialgerichtliche Verfahren, sodass schon aus diesem Grund die Annahme eines Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen ist (vgl BSG vom 9.5.1995 - 10 RAr 5/94 = SozR 3-4100 § 141b Nr 15).
2. Selbst wenn die Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung möglicherweise nicht zusätzlich bzw im öffentlichen Interesse gem § 16 Abs 3 S 2 SGB 2 oder aus sonstigen Gründen unzumutbar gewesen sein sollte, kann aus einer eventuellen Rechtswidrigkeit der Maßnahme kein Anspruch darauf abgeleitet werden, eine höhere Mehraufwandsentschädigung oder gar ein Arbeitsentgelt aus den Grundsätzen des sog faktischen Arbeitsverhältnisses zu erhalten (Anschluss an BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS 66/07 R = BSGE 102, 73 = SozR 4-4200 § 16 Nr 3).
3. Weitere Anspruchsgrundlagen wie der Wuchertatbestand nach § 138 Abs 2 BGB wegen eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung sind nicht ersichtlich. Eine Rückabwicklung nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen gem §§ 812ff BGB als Nichtigkeitsfolge kommt nicht in Betracht. Die Beurteilung von Arbeitsvergütungen im Lichte des § 138 BGB (vgl BAG vom 23.5.2001 - 5 AZR 527/99 = EZA § 138 BGB Nr 29) betrifft nur echte Arbeitsverhältnisse, um die es vorliegend nicht geht. Die Mehraufwandsentschädigung nach § 16 Abs 3 S 2 SGB 2 soll gerade nicht das Niveau eines Mindestlohns erreichen bzw als Anreiz dafür dienen, dauerhaft in sog "Ein-Euro-Jobs" zu verbleiben (vgl BSG vom 13.11.2008 aaO).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Zahlung von Arbeitsentgelt für die Zeit vom 7. März bis 6. September 2005, in welcher sie in einem Betrieb des Beklagten tätig war.
Der beklagte Verein ist ein Träger der freien Wohlfahrtspflege, dem mit Bescheid der Agentur für Arbeit Karlsruhe vom 21. Januar 2005 pauschale Förderleistungen zur Schaffung von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung - Zusatzjobs nach § 16 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bewilligt wurden. Die 1964 geborene Klägerin bezog seinerzeit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, ihr wurde mit Schreiben vom 2. Februar 2005 eine Beschäftigungsgelegenheit beim Beklagten vorgeschlagen. Nach einem Vorstellungsgespräch nahm die Klägerin am 7. März 2005 eine Tätigkeit als Reinigungskraft bei der Gebäudereinigung eines Altenheimes auf mit einem Umfang von 20 Stunden pro Woche, befristet für die Dauer von sechs Monaten und gegen die Gewährung von 2,00 € Mehraufwandsentschädigung je geleisteter Beschäftigungsstunde. Die Tätigkeit endete am 6. September 2005.
Eine von der Klägerin vor dem Arbeitsgericht Karlsruhe (ArbG) angestrengte Klage auf Feststellung der Begründung und des Fortbestehens eines Arbeitsverhältnisses zwischen Klägerin und Beklagtem wurde mit Urteil vom 20. Januar 2006 abgewiesen (1 Ca 336/05). Die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin wies das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 4. Juli 2006 zurück (14 Sa 24/06), die hiergegen zunächst eingelegte Revision nahm die Klägerin mit Schreiben vom 30. Januar 2007 wieder zurück.
Am 7. Oktober 2005 hat die Klägerin eine weitere Klage beim ArbG gegen den Beklagten auf Zahlung von Arbeitslohn anhängig gemacht. Mit Beschluss vom 23. März 2007 (1 Ca 377/05) hat das ArbG den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Karlsruhe (SG) verwiesen. Zur Begründung der Klage hat die Klägerin geltend gemacht, zwar seien ArbG und LAG zu der Rechtsauffassung gelangt, dass ein öffentlich-rechtliches Vertragsverhältnis zwischen den Parteien bestehe. Gleichwohl habe die Klägerin Anspruch auf den Tariflohn bzw. hilfsweise auf den ortsüblichen Lohn. Tatsächlich seien von ihr Arbeiten unter Umgehung der §§ 15, 16 SGB II ausgeübt worden, indem sie als Reinigerin eingesetzt worden sei. Die Voraussetzung von § 16 Abs. 3 SGB II, dass die zugewiesene Arbeit im öffentlichen Interesse liege und das Zusätzlichkeitskriterium erfüllt werde, liege nicht vor. Es handele sich vielmehr um einen gewinnbringenden Ersatz für eine Putzfrau, die laut Tarifvertrag des Beklagten mit einem Stundenlohn von 9,53 € bzw. entsprechend der Mindestlohnvereinbarung des allgemeinverbindlichen Gebäudereinigerhandwerktarifs von 7,87 € vergütet werde. Da in den Einrichtungen des Beklagten Putzdienste ve...