Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung des Leistungsfalles bei Absinken des quantitativen Restleistungsvermögen von unter sechs Stunden auf unter drei Stunden arbeitstäglich. Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes
Leitsatz (amtlich)
Sinkt das Leistungsvermögen eines/einer Versicherten nach dem Eintritt des Leistungsfalls der Erwerbsminderung, bei welchem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt waren, weiter ab, tritt kein neuer Leistungsfall der Erwerbsminderung ein, so dass bei nunmehr gegebenen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen keine Rente wegen Erwerbsminderung zu leisten ist.
Orientierungssatz
Zum Leitsatz vgl BSG vom 29.11.1990 - 5/4a RJ 41/87, LSG Berlin-Potsdam vom 10.6.2010 - L 21 R 1203/07 sowie LSG Stuttgart vom 13.8.2014 - L 9 R 1721/14.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19. November 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab 1. September 2011.
Die am 1963 geborene Klägerin absolvierte vom 1. August 1979 bis 30. Juni 1981 eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau. Im Anschluss daran war sie bis 30. September 1986 als Verkäuferin und sodann bis 4. August 1987 mit der Verrichtung von Bürotätigkeiten versicherungspflichtig beschäftigt. Nach Unterbrechung der beruflichen Tätigkeit durch die Erziehung ihrer im Jahr 1986 und 1987 geborenen Kinder absolvierte die Klägerin zwischen dem 10. August und 31. Oktober 1993 eine nicht näher bezeichnete berufliche Ausbildung. Zwischen dem 1. Januar 2000 und 6. Juni 2007 war sie geringfügig beschäftigt. Ab 1. November 2007 war sie auf der Grundlage eines bis zum 30. April 2009 befristeten Arbeitsvertrags, der nicht verlängert wurde, als Verkäuferin in einem Supermarkt mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden versicherungspflichtig tätig. Ab 17. Februar 2009 war sie arbeitsunfähig krank und bezog nach Beendigung der Lohnfortzahlung vom 31. März 2009 bis 16. August 2010 Kranken- bzw. Übergangsgeld und vom 17. August 2010 bis 15. August 2011 Arbeitslosengeld. Seither ist sie arbeitslos gemeldet ohne Leistungsbezug. Vom 17. Oktober bis 11. November 2011 absolvierte die Klägerin auf Kosten der Bundesagentur für Arbeit in einer Praxis für Physiotherapie eine Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung als Rezeptionskraft im Umfang von täglich zwei Stunden. Nach dem Vermerk der Bundesagentur für Arbeit vom 23. Dezember 2011 konnte der Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen keine Anschlussbeschäftigung bieten.
Wegen neurologischer Auffälligkeiten befand sich die Klägerin in der Zeit vom 17. bis 25. Februar 2009 in stationärer Behandlung des O.-Klinikums L.-E. und sodann vom 16. März bis 18. April 2009 in einer Anschlussheilbehandlung in den Kliniken S. in A.. Prof. Dr. D. diagnostizierte in seinem Entlassungsbericht vom 17. April 2009 eine Gleichgewichtsstörung, eine Paraparese der Beine, eine Fatigue-Symptomatik, eine Dranginkontinenz und eine Multiple Sklerose vom schubförmigen Verlauf, Differentialdiagnose: primär chronischer Verlauf, Erstmanifestation 2006, Erstdiagnose 2009. Die Gehstrecke der Klägerin betrage je nach Tagesform zwischen 200 bis 400 Metern, darüber hinaus werde die Schwäche im linken Bein deutlicher sichtbar. Die Klägerin wurde arbeitsunfähig entlassen. Ihre bisherige Tätigkeit als Verkäuferin sei ihr nur noch unter drei Stunden täglich, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten zeitweise im Stehen und Gehen und überwiegend im Sitzen in Tagesschicht und mit Einschränkung insbesondere im Bewegungs- und Haltungsapparat bezüglich des Ersteigens von Treppen, Leitern und Gerüsten, Heben und Tragen und Bewegen von Lasten, Gang- und Standsicherheit seien ihr noch drei bis unter sechs Stunden täglich möglich. Eine Umdeutung des Rehabilitationsantrags in einen Rentenantrag erfolgte wegen fehlender versicherungsrechtlicher Voraussetzungen nicht.
Dr. W., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK), hielt die Klägerin in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 9. Juni 2009, das er auf der Grundlage der Akte der IKK, einer Arztanfrage bei dem Arzt für Allgemeinmedizin Dr. V. und des Entlassungsberichts des Prof. Dr. D. erstattete, bezogen auf die bisherige Tätigkeit als Verkäuferin für auf Dauer arbeitsunfähig.
Am 27. September 2011 beantragte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung. Sie trug vor, sie halte sich seit Februar 2009 wegen Multipler Sklerose für erwerbsgemindert. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Allgemeinmedizin und Facharzt für Anästhesiologie Dr. Z.. Dr. Z., dem ein an ihn gerichteter Brief des die Klägerin behandelnden Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. vom 20. Oktober 2011 vorlag, wonach es bei der Klägerin über die Jahre hin zu einer langsam stetigen Befundverschlechterung gekommen sei, sich im August 2011 das Laufen weiter deutlich verschlec...