Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsarztrecht. gröblicher Pflichtverstoß. berufliche Bewährung. Zulassungsbeschränkung. niedergelassener Arzt

 

Orientierungssatz

1. Eine Pflichtverletzung, die zu einer Ungeeignetheit des Arztes zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 95 Abs 6 SGB 5 führt, ist regelmäßig auch gegeben, wenn der Arzt sich über die Grundprinzipien des Systems der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet. Eine solche Gefährdung des Systems der vertragsärztlichen Versorgung kann gegeben sein, wenn von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung die Zahlung einer (zusätzlichen) Vergütung im Wege der Privatliquidation verlangt wird.

2. Bei einem erneuten Antrag auf Zulassung ist zu berücksichtigen, wie sich der Arzt nach der Beendigung der früheren vertragsärztlichen Tätigkeit, sei es durch Entziehung der Zulassung oder durch Verzicht der Zulassung, in seinem beruflichen Bereich verhalten hat und welche Schlüsse darauf auf eine berufliche Bewährung zu ziehen sind. Die Dauer der "Bewährungszeit" kann nicht generell festgelegt werden, sie ist vielmehr abhängig von den besonderen Umständen des Einzelfalls. Eine "Bewährungszeit" von fünf Jahren ist allerdings eine lange Zeit, die in Anbetracht dessen, daß es sich bei der Entziehung der Kassenzulassung um einen sehr schweren Eingriff in das Recht des niedergelassenen Arztes auf freie Berufsausübung handelt, nur in besonders gravierenden Fällen überschritten werden sollte; in vielen Fällen wird schon eine kürzere Zeit genügen, um feststellen zu können, ob der Arzt wieder für die vertragsärztliche Versorgung geeignet ist (vgl BSG vom 29.10.1986 - 6 RKa 32/86 = MedR 1987, 254).

3. Ein unwiderruflicher Verzicht auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung umfaßt nur die Rechtsposition, die der Vertragsarzt innehalte und bezieht sich somit ausschließlich auf den Vertragsarztsitz bzw. Zulassungsbereich für die damalige vertragsärztliche Tätigkeit.

4. Soweit keine Zulassungsbeschränkungen durch den Ladenschluß der Ärzte und Krankenkassen angeordnet sind, haben die Zulassungsgremien nicht die Befugnis, ihrerseits eine Bedarfsprüfung für die Zulassung eines in freier Praxis niedergelassenen Arztes - anders als bei einem Antrag auf Teilnahme eines Krankenhausarztes an der vertragsärztlichen Versorgung vorzunehmen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 24.09.1998; Aktenzeichen B 6 KA 3/98 B)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als Arzt für psychotherapeutische Medizin für den Vertragsarztsitz S,

Der 1947 geborene Kläger erhielt am 1976 die Approbation als Arzt. Er ist berechtigt, die Fachgebietsbezeichnungen "Arzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe" (Urkunde der Landesärztekammer Hessen vom 1993) und "Facharzt für psychotherapeutische Medizin" (Urkunde der Bayerischen Landesärztekammer vom 1994) sowie die Zusatzbezeichnungen "Psychoanalyse" (Urkunde der Bayerischen Landesärztekammer vom 1991) und "Psychotherapie" (Urkunde der Landesärztekammer Hessen vom 1979) zu führen. Des weiteren besitzt er den akademischen Grad des "Diplom-Psychologen" (Diplom der Universität Würzburg vom 1975).

Der Kläger war in C als Praktischer Arzt zur kassenärztlichen Versorgung zugelassen und an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligt. Er übte seine kassen- und vertragsärztliche Tätigkeit in einer Gemeinschaftspraxis mit seiner früheren Ehefrau aus, die als Allgemeinärztin zugelassen bzw. beteiligt war.

Im Oktober 1988 erstattete der VdAK (Beigeladene Nr. 6) Strafanzeige gegen den Kläger und seine frühere Ehefrau wegen Betrugs, weil Unregelmäßigkeiten in der Abrechnung bestünden. Dieses Strafverfahren stellte die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Coburg gegen die Zahlung einer Geldbuße von DM 15.000,-- gemäß § 153a Abs. 1 Satz 4 der Strafprozeßordnung (StPO) ein (Beschluß vom 06.02.1991). Dem Kläger und seiner damaligen Ehefrau wurde vorgeworfen, für die Behandlung im Rahmen der "großen Psychotherapie" den Versicherten Beträge privat in Rechnung gestellt zu haben. obwohl besondere Leistungen von den Versicherten nicht gefordert und auch von ihm nicht erbracht worden seien, sowie anstelle gutachterlich genehmigter Einzelsitzungen, die abgerechnet worden waren, Gruppensitzungen durchgeführt zu haben. Der Beigeladene Nr. 6 beantragte wegen dieser falschen Abrechnungen mit Schreiben vom 01.02.1989, die Beteiligung des Klägers und seiner früheren Ehefrau an der vertragsärztlichen Versorgung mit sofortiger Wirkung zu widerrufen. Die Entscheidung über diesen Antrag wurde zunächst zurückgestellt.

Die Bezirksstelle Oberfranken der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Bayern nahm mit Bescheid vom 25.04.1991 die dem Kläger und seiner früheren Ehefrau erteilten Honorarbescheide der Quartale 2/84 bis einschließlich 3/88 zurück, setzte das Honorar für diese Quartale neu fest und forderte eine Überzahlung von DM 266.987,02 zurück. Es seien anstelle ausschließlich genehmigter Einzelsitzungen, die immer abgerechnet worden seien, teilweise G...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge