Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Fallzusammenführung. unvermeidbare Nebenwirkung einer Chemotherapie. Krankenkasse. kein Recht auf Einsicht in ärztliche Behandlungsunterlagen im gerichtlichen Verfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den (hier nicht vorliegenden) Voraussetzungen einer Fallzusammenführung nach § 2 Abs 3 FPV 2008 (juris: KFPVbg 2008) wegen einer unvermeidbaren Nebenwirkung einer Chemotherapie im Rahmen einer ontologischen Behandlung.

 

Orientierungssatz

Eine Krankenkasse hat auch im gerichtlichen Verfahren kein Einsichtsrecht in ärztliche Behandlungsunterlagen (vgl BSG vom 23.7.2002 - B 3 KR 64/01 R = BSGE 90, 1 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3; BSG vom 22.4.2009 - B 3 KR 24/07 R = SozR 4-2500 § 109 Nr 18 und BSG vom 21.3.2013 - B 3 KR 28/12 R = SozR 4-2500 § 109 Nr 29). Einsicht kann nur der Medizinische Dienst der Krankenversicherung erhalten.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 9. August 2012 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Beklagte an die Klägerin € 3.969,97 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. August 2010 zu zahlen hat und im Übrigen die Klage abgewiesen wird.

Die Beklagte trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für beide Rechtszüge wird endgültig auf € 4.009,97 festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob zwei stationäre Krankenhausbehandlungen im Wege der Fallzusammenführung mit nur einer Fallpauschale abzurechnen sind. Mangels Akteneinsicht beruft sich die Beklagte außerdem auf die Verletzung ihres rechtlichen Gehörs.

Die Klägerin betreibt ein nach § 108 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zur Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenes Hochschulklinikum. Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte und am 1934 geborene H. G. (im Folgenden Versicherter) wurde zweimal im Zusammenhang mit einer bei ihm erforderlichen kombinierten Radio-Chemotherapie wegen eines Parotiskarzinoms behandelt. Während seines ersten Aufenthalts (24. Januar bis 4. Februar 2008) mit der nach der Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme 10. Revision, Version 2004 (ICD 10) Aufnahmediagnose ICD-10 C 07 (bösartige Neubildung der Parotis) wurde vom 28. Januar bis 4. Februar 2008 täglich eine Hochvoltstrahlentherapie durchgeführt. Am 29. und 30. Januar 2008 wurde zusätzlich eine Chemotherapie mit Cisplatin appliziert. Einen Tag nach der Chemotherapie-Gabe entwickelte der Versicherte Übelkeit und starke Abgeschlagenheit, worauf vom 29. Januar bis 4. Februar 2008 eine Infusionstherapie erfolgte (vorläufiger Arztbrief des Prof. Dr. K., Oberarzt der Abteilung des Universitätsklinikums F., Klinik für Strahlenheilkunde, vom 1. Februar 2008). Am 4. Februar 2008 wurde dem Versicherten, bei dem zuletzt am 31. Januar 2008 die Laborwerte bestimmt worden waren und hierbei u.a. ein Serum-Kreatininwert von 1,32 mg/dl bestimmt worden war, erneut Blut entnommen. Der Laborauftrag wurde ausweislich des Laborbefunds um 11.26 Uhr erteilt. Um 11.30 Uhr wurde der Versicherte, dem es nach dem Pflegebericht der Klägerin am 3. Februar 2008 wieder etwas besser ging und bei dem sich am 4. Februar 2008 ein regulärer Verlauf zeigte, nach dem Fallprotokoll der Klägerin entlassen. Nach dem vorläufigen Arztbrief des Prof. Dr. K. vom 1. Februar 2008 wurde vereinbart, die weiteren Bestrahlungstermine ambulant wahrzunehmen. Die Laboruntersuchung des am Entlasstag entnommenen Blutes ergab einen Serum-Kreatininwert von 2,22 mg/dl. Hierüber wurde der Versicherte telefonisch informiert. Bei einer am 5. Februar 2008 erfolgten erneuten Kontrolle zeigte sich der Serum-Kreatininwert von 2,33 mg/dl, weshalb der Versicherte von der Klägerin vom 5. bis 8. Februar 2008 erneut stationär aufgenommen wurde. Während dieses Aufenthalts wurde vom 5. bis 7. Februar 2008 eine erneute Hydratationstherapie und vom 6. bis 8. Februar 2008 eine weitere Hochvoltstrahlentherapie durchgeführt. Am 8. Februar 2008 wurde der Versicherte in deutlich gebessertem Allgemeinzustand ohne Normalisierung der Nierenwerte erneut entlassen (Entlassungsbericht von Prof. Dr. G., Ärztliche Direktorin des Universitätsklinikums F., Klinik für Strahlenheilkunde, vom 12. Februar 2008).

Die Klägerin rechnete für beide stationäre Aufenthalte die Diagnosis Related Group (DRG) D20A (andere Strahlentherapie bei Krankheiten und Störungen des Ohres, der Nase, des Mundes und des Halses, mehr als ein Behandlungstag, Alter über 70 oder mit äußerst schweren Komplikationen oder Komorbiditäten) mit einer Vergütung von € 3.889,97 für den ersten Aufenthalt (Rechnung vom 14. Februar 2008) sowie ohne Abzug des Eigenanteils des Versicherten in Höhe von € 40,00 von € 4.009,97 für den zweiten Aufenthalt (Rechnung vom 21. Februar 2008) ab. Die Beklagte beglich beide Rechnungen zunächst in voller Höhe, beauftragte aber noch am 27. Februa...

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