Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherungsschutz. Abgrenzung von versicherungspflichtiger Beschäftigung von selbständiger Erwerbstätigkeit. Auslieferungsfahrer eines Menübringdienstes. Einsatz des eigenen Pkw's. Pannenrisiko. Provision

 

Orientierungssatz

Zum Vorliegen des Unfallversicherungsschutzes eines Auslieferfahrers eines Menübringdienstes gem § 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7, bei dem die Merkmale einer unselbständigen Tätigkeit (hier: Weisungsgebundenheit und Eingliederung in die Arbeitsorganisation) gegenüber den Merkmalen einer selbständigen Erwerbstätigkeit (hier: Einsatz des eigenen Pkw's mit Tragen des Pannenrisikos und kein festes Arbeitsentgelt) überwiegen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 19.08.2003; Aktenzeichen B 2 U 38/02 R)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die vom Kläger am 01.07.1997 erlittenen Verletzungen Folgen eines Arbeitsunfalls sind, insbesondere, ob der Kläger damals als "Beschäftigter" unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.

Der ... 1946 geborene Kläger war seit 01.08.1991 als "Menü-Bringer in selbstständiger Nebentätigkeit" (so wörtlich die Gewerbeanmeldung des Klägers vom 01.08.1991) für die E Betriebe GmbH (in folgenden: Beigeladene) tätig. Am 01.07.1997 stürzte er beim Einladen der Menüs in seinen PKW von einer ca. 1 Meter hohen Rampe und zog sich dabei eine distale Radiusfraktur mit Abriss des Processus styloideus radii und eine mediale dislozierte Schenkelhalsfraktur -- jeweils links -- zu (D-Arztbericht Prof. Dr. H vom 15.01.1998).

Am 02.09.1997 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Entschädigung seines Unfalles als Arbeitsunfall. Er trug vor, zwar sei er als freier Mitarbeiter für die Beigeladene tätig. Obwohl er einen Gewerbeausweis habe, sei er immer von dieser abhängig gewesen. Seine finanzielle Lage habe es ihm nicht erlaubt, einen Krankenversicherungsvertrag abzuschließen.

Die Beklagte trat in Ermittlungen ein. Diese ergaben, dass der Kläger seit 01.08.1991 bei der Berufsgenossenschaft (BG) für Fahrzeughaltungen als Unternehmer eingetragen war. Auf seinen Antrag wurde er mit Bescheid vom 07.04.1993 gemäß § 39 Abs. 2 der Satzung der BG für Fahrzeughaltungen von der Versicherungspflicht als Unternehmer befreit. Nach dieser Vorschrift können die Unternehmer, die im Jahresdurchschnitt nicht mehr als 5 Personen beschäftigen, von der Versicherungspflicht befreit werden, wenn sie nach ihren Angaben im Unternehmen dauernd nicht oder nur geringfügig tätig werden. Zum 31.12.1996 wurde die Mitgliedschaft aufgehoben.

Der Kläger hatte mit der Beigeladenen keinen schriftlichen Vertrag abgeschlossen. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens stellte sich seine Tätigkeit als "Menü-Bringer" für die Beigeladene im wesentlichen folgendermaßen dar:

Der Kläger begab sich von Montag bis Freitag jeweils zwischen 8.00 Uhr und 8.30 Uhr mit seinem eigenen PKW zur Beigeladenen, um dort die auszuliefernden Fertigmenüs in Empfang zu nehmen, die einzeln in Alubehältnissen verschweißt und zu je 12 in einem größeren Warmhaltebehälter verpackt waren. Für das Einladen der Menüs benötigte der Kläger ca. 15 Minuten. Anschließend begab er sich mit seinem PKW, an dem mit Magneten bzw. Saugnäpfen Schilder mit dem Firmenlogo und der Telefonnummer der Beigeladenen angebracht waren, auf die Auslieferungstour in dem ihm zugeteilten Auslieferungsbezirk. Dieser umfasste in M die Stadtteile L und A Je nach Anzahl waren ca. um 12.30 Uhr alle Menüs ausgeliefert. Bei der Auslieferung am Freitag waren zusätzlich noch für das Wochenende Tiefkühlmenüs auszuliefern.

Jeweils an Donnerstagen hatte der Kläger bei der Auslieferung der Menüs Speisepläne für jeweils zwei Wochen und Bestellformulare zu verteilen. Freitags nahm der Kläger die Bestellungen der Kunden entgegen und leitete sie an die Beigeladene weiter. Die Kunden konnten entweder im Wege der Erteilung einer Abbuchungsermächtigung oder bar beim Kläger im voraus bezahlen. Im Jahre 1997 zahlten noch ca. 90 v. H. der Kunden bar. Die entgegengenommenen Geldbeträge zahlte der Kläger auf ein von ihm eingerichtetes Bankkonto ein, von dem die Beigeladene wöchentlich im voraus einen Abschlag abbuchte. Unter Berücksichtigung dieser Abbuchung und der von den Kunden abgebuchten Beträge erhielt der Kläger wöchentlich eine Abrechnung seiner Provision, die einen bestimmten Prozentsatz des Wochenumsatzes ausmachte. Für die Kontoführung wurden ihm 10 DM erstattet.

Die Bestellformulare, auf denen nur der Firmenname der Beigeladenen aufgedruckt war, waren links vom Kunden und rechts vom "Fahrer" zu unterschreiben. Werbung betrieb fast ausschließlich die Beigeladene durch Kleinanzeigen in Gemeindeblättern etc. sowie durch Prospektmaterial, das den Ausfahrern zur Verfügung gestellt wurde. Diese erhielten als Vergütung für das Verteilen zusätzlich 50 DM. Die Beigeladene hatte ferner auch Vorrichtungen zum Wärmen der Tiefkühlmenüs im Angebot, die von den Ausfahrern gegen Provision verkauft werden konnten.

Der Kläger erhielt für die Benutzung des eigenen PKW ke...

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