Entscheidungsstichwort (Thema)
Überlanges Gerichtsverfahren. Entschädigungsklage. zweijährige Überlänge. Wiedergutmachung auf andere Weise. geringe Bedeutung der Sache für den Kläger. Berechtigung des Jobcenters zur Veraktung von Kontoauszügen. Feststellung einer Überlänge ausreichend. Erhöhung der Kostenquote
Leitsatz (amtlich)
Lediglich Feststellung einer überlangen Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs 4 S 1 GVG, wenn das Ausgangsverfahren für den betroffenen Kläger nur von sehr geringer Bedeutung gewesen ist.
Orientierungssatz
1. Dies gilt auch, wenn eine erhebliche Überlänge des gerichtlichen Verfahrens entstanden ist (hier: von etwa zwei Jahren bei einem Streit über die Berechtigung des Jobcenters, vorgelegte Kopien von Kontoauszügen zur Akte zu nehmen).
2. Auch die Kostenquote für das Entschädigungsverfahren kann bei geringer Bedeutung der Sache für den Kläger erhöht werden (hier auf zwei Drittel).
Nachgehend
Tenor
Die unangemessene Dauer des gerichtlichen Verfahrens (Klage vor dem SG S 5 AS 2584/11 und Berufung vor dem LSG L 9 AS 1590/13) wird festgestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu zwei Drittel und der Beklagte zu einem Drittel zu tragen.
Der Streitwert des Verfahrens wird auf 3.000,- € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger verlangt erstinstanzlich vom beklagten Land Baden-Württemberg (vertreten durch die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart) Schadensersatz wegen überlanger Dauer des Berufungsverfahrens beim Landessozialgericht Baden-Württemberg unter dem Aktenzeichen L 9 AS 1590/13.
Der 1953 geborene, alleinstehende Kläger ist seit 24. Oktober 1997 arbeitslos und bezieht vom Jobcenter Landkreis K. seit 1. Januar 2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe des jeweiligen Regelbedarfs zuzüglich der Kosten für Unterkunft und Heizung.
Dem Entschädigungsklageverfahren liegt folgendes Ausgangsverfahren zugrunde: Nachdem das Jobcenter Landkreis K. (im Folgenden Jobcenter) mit Bescheid vom 24. Juni 2011 dem Kläger Arbeitslosengeld II (Alg II) bewilligt hatte, teilte es ihm mit Schreiben vom gleichen Datum mit, dass er vollständige Kontoauszüge seines Girokontos für den Zeitraum April bis Juli 2011 vorlegen solle. Auf seine diesbezügliche Mitwirkungspflicht wurde er hingewiesen. Der Kläger antwortete darauf, dass er die angeforderten Kontoauszüge zur Verfügung stellen werde, wenn das Jobcenter ihm die Löschung der bisher erhaltenen Kontoauszüge schriftlich bestätige. Mit Schreiben vom 2. August 2011 teilte das Jobcenter ihm daraufhin mit, dass die bisher erhaltenen Kontoauszüge aus Gründen der nachweislichen Aktenführung nicht gelöscht werden könnten. Gegen das Schreiben vom 2. August 2011 erhob der Kläger Widerspruch; sein Wunsch nach Löschung der bisher eingereichten Kontoauszüge sei keine Verletzung seiner Mitwirkungspflicht bei der Klärung der Anspruchsvoraussetzungen für Alg II.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. September 2011 wies das Jobcenter den Widerspruch zurück. Die Aufforderung, Kontoauszüge für die letzten drei Monate vorzulegen, sei grundsätzlich nicht zu beanstanden.
Am 18. September 2011 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht K. (SG) unter dem Aktenzeichen S 5 AS 2584/11. Zugleich beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die Klage. Er beantragte, das Jobcenter zur sofortigen Zahlung der mit Bescheid vom 24. Juni 2011 bewilligten Leistungen in Höhe von 713,00 € monatlich ab 31. August 2011 zu verurteilen, das Jobcenter zur sofortigen Zahlung der mit Bescheid vom 24. August 2011 zugesagten Nachzahlung in Höhe von 1.793,00 € zu verurteilen und die Rechtswidrigkeit der Nichtzahlung der bewilligten Leistungen festzustellen. Mit Schreiben des SG vom 26. September 2011 wurde der Eingang der Klage bestätigt. Mit Schreiben gleichen Datums wurde das Jobcenter zur Klageerwiderung unter Vorlage der Verwaltungsakten binnen vier Wochen nach Erhalt übersandt. Es wurde auch eine Stellungnahme zum PKH-Antrag erbeten. Mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2011 teilte das Jobcenter mit, dass zwischenzeitlich der Nachzahlungsbetrag in Höhe von 1.793,00 € zur Zahlung an den Kläger angewiesen worden sei. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem SG unter dem Aktenzeichen S 5 AS 2487/11 ER habe sich das Jobcenter im Übrigen zur Zahlung der Leistungen nach dem SGB II aufgrund des Bewilligungsbescheides vom 24. Juni 2011 verpflichtet. Ab September 2011 seien die Leistungen zur Zahlung angewiesen worden. Die Klage dürfte sich damit erledigt haben. Mit Verfügung vom 18. Oktober 2011 wurde dem Kläger dieser Schriftsatz zugeleitet. Mit Schreiben vom 14. November 2011 teilte der Kläger mit, die Klage habe sich nicht erledigt. Mit Verfügung vom 26. Juni 2012 bestimmte das SG Termin zur Erörterung des Sachverhalts auf den 25. Juli 2012. Mit Beschluss vom 11. Juli 2012 wurde dem Antragsteller PKH ohne Ratenzahlung gewährt. Am 25. Juli 2012 fand der Erörterungstermin statt...