Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeldberechnung. höheres Elterngeld bei rechtzeitigem Elterngeldwechsel vor zeitversetzter Aufnahme einer Teilzeittätigkeit im Bezugszeitraum. geringfügige Einkünfte durch durchgängige Sachbezüge. Prämien zu einem Fahrrad-Leasing. Beiträge zur Unfallversicherung. generelle Erstreckung der Durchschnittsberechnung auf alle Monate mit geldwerten Vorteilen. getrennte Durchschnittsberechnung nur bei Wechsel zwischen Basiselterngeld und Elterngeld Plus. zeitliche Begrenzung eines rückwirkenden Elterngeldwechsels. Rückforderung zu viel gezahlten Elterngelds. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Benennung der falschen Rechtsgrundlage durch die Behörde im Bescheid. unschädlicher Begründungsfehler
Leitsatz (amtlich)
Nimmt eine Person, der nicht nur vorläufig, sondern endgültig Elterngeld bewilligt wurde, während des Bezugs von Elterngeld eine Teilerwerbstätigkeit auf, liegt darin eine wesentliche Änderung iSd § 48 Abs 1 SGB X. Bei der Berechnung des Einkommens werden Prämienzahlungen (hier: geldwerte Vorteile), die als laufender Arbeitslohn versteuert werden, anspruchsmindernd berücksichtigt. Bei der danach gebotenen Durchschnittsberechnung sind auch die Monate der Prämienzahlung vor Aufnahme der Teilerwerbstätigkeit einzubeziehen. Die Bewilligung von Elterngeld kann in einem solchen Fall nach § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X auch für die Zeit vor Aufnahme der Teilerwerbstätigkeit (ganz oder teilweise) aufgehoben werden.
Orientierungssatz
1. Die Einbeziehung aller Monate mit geringfügigen Einkünften in Form von (weiter gewährten) geldwerten Vorteilen (hier: Prämien zu einem Fahrrad-Leasing iHv 27 Euro sowie zu einer Unfallversicherung iHv 1,96 Euro) im Rahmen der Berechnung des durchschnittlichen Bezugseinkommens begründet keine besondere Härte.
2. Eine getrennte Berechnung, welche für den Elterngeldberechtigten insgesamt günstiger sein kann, erfolgt nur bei einem Elterngeldwechsel zwischen Basiselterngeld und Elterngeld Plus (vgl § 2 Abs 3 S 3 BEEG). Diese Optimierung kann aber nach Ablauf der Frist des § 7 Abs 2 BEEG nicht mehr nachträglich beantragt werden.
3. Eine fehlerhafte Begründung (hier: Benennung einer falschen Rechtsgrundlage durch die Elterngeldbehörde) führt nicht zur Rechtswidrigkeit eines Bescheids (vgl LSG Hamburg vom 17.3.2022 - L 4 AS 371/20).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 09.03.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rückforderung von Elterngeld in Höhe von 8.873,38 €.
Die 1978 geborene Klägerin ist bei der Firma R GmbH beschäftigt. Am 17.10.2018 kam ihr (drittes) Kind K zur Welt. Die Klägerin beantragte am 16.11.2018 die Gewährung von Basis-Elterngeld für den 1. bis 11. Lebensmonat (17.10.2018 bis 16.09.2019) und gab im Antrag zunächst an (Bl 1 Verwaltungsakte ≪V-Akte≫), im Bezugszeitraum voraussichtlich im Zeitraum vom 18.05.2019 bis 17.10.2019 Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit von ihrem bisherigen Arbeitgeber zu erhalten. Im Rahmen einer erneuten Stellungnahme wegen Änderung des Bezugszeitraumes ihres Ehemannes (nunmehr Elterngeld für die Monate 6-8 statt zuvor 5-7) teilte die Klägerin unter dem 17.01.2019 bzw 19.01.2019 mit, im Bezugszeitraum kein Einkommen zu erzielen (Bl 36 V-Akte) bzw voraussichtlich kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit zu haben noch Einnahmen oder Ausgaben aus selbständiger Tätigkeit (Bl 33 V-Akte). In dem Vordruck „Ergänzende Angaben für den beantragten Bezugszeitraum“ findet sich der Hinweis, dass auch Einkommen, das der Antragsteller ohne Arbeitsleistung erhalte, wie zB die Nutzung eines Dienstwagens, vermögenswirksame Leistungen, pauschal versteuertes Einkommen (…), anzugeben sei (Bl 33 V-Akte). Derselbe Hinweis ist in dem Vordruck „Fragen an den antragstellenden Elternteil 2“ enthalten (Bl 1 V-Akte).
Mit Bescheid vom 22.01.2019 (Bl 49 V-Akte) bewilligte die Beklagte Basis-Elterngeld für den beantragten Zeitraum in Höhe von 1.724,52 € für die Zeit vom 17.12.2018 bis 16.01.2019 sowie in Höhe von monatlich 1.980 € ab dem 17.01.2019 bis zum 16.09.2019. Es werde der Widerruf des Elterngeldes für den Fall vorbehalten, dass die Klägerin entgegen der erklärten Absicht steuerpflichtiges Einkommen erziele.
Telefonisch teilte die Klägerin am 17.06.2019 der Beklagten die Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung ab dem 21.05.2019 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden mit (Bl 61 V-Akte). Die Beklagte setzte daraufhin die Zahlung des Elterngeldes vorläufig aus und forderte Entgeltabrechnungen des Arbeitgebers an. Aus diesen ergab sich, dass die Klägerin im Bezugszeitraum durchgängig Sachbezüge als Entgeltbestandteile erhalten hatte in Form jeweils eines geldwerten Vorteils, nämlich zur Unfallversicherung in Höhe von 1,96 € bzw zum Fahrradleasing in Höhe von 27 € (zusammen 28,96 €). Außerdem erzielte die Klägerin im Zeitraum zwischen dem 21.05.2019 und 16.09.2019 ein Bruttoeinkommen in Höhe vo...