Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. Pflegesatzverfahren. Festsetzung der leistungsgerechten Vergütung für stationäre Pflegeleistungen durch Schiedsspruch. Bemessung. Wagnis- und Risikozuschlag. Eigenkapitalzinsen. Entscheidung durch das LSG im ersten Rechtszug. örtliche Zuständigkeit. Überprüfung
Leitsatz (amtlich)
Zur Berücksichtigung eines Risiko- und Wagniszuschlags sowie von Eigenkapitalzinsen bei den Pflegeentgelten eines Pflegeheimes (hier verneint).
Orientierungssatz
1. Das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (juris: SGG/ArbGGÄndG) vom 26.3.2008 (BGBl I, S 444) hat bei der Einführung einer originären erstinstanzlichen Zuständigkeit “der Landessozialgerichte„ in § 29 Abs 2 Nr 1 SGG zum 1.4.2008 keine Regelung darüber getroffen, welches Landessozialgericht örtlich zuständig sein soll. Diesbezüglich ist § 57 Abs 1 S 1 SGG entsprechend anzuwenden.
2. Grundsätzlich sind Pflegesatzverhandlungen und eventuell nachfolgende Schiedsstellenverfahren nach einem zweigliedrigen Prüfungsmuster durchzuführen: Grundlage der Verhandlung über Pflegesätze und Entgelte ist zunächst die Abschätzung der voraussichtlichen Kosten der in der Einrichtung erbrachten Leistungen nach § 85 Abs 3 S 2 Halbs 1 und S 3 SGB 11 (Prognose). Daran schließt sich in einem zweiten Schritt die Prüfung der Leistungsgerechtigkeit nach § 84 Abs 2 S 1 und 4 SGB 11 an. Maßgebend hierfür sind die Kostenansätze vergleichbarer Leistungen in anderen Einrichtungen (externer Vergleich).
3. Aktenzeichen beim BSG: B 3 P 25/11 B
Nachgehend
Tenor
Auf die Klage der Klägerin wird der Schiedsspruch der Beklagten vom 18. Februar 2010, Az.:71/09, aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin vom 18. November 2009 auf Festsetzung der Vergütungen für das Alten- und Pflegeheim L.-U.-Stift für die Zeit vom 23. November 2009 bis 30. November 2010 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird endgültig auf € 73.500,00 festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen Schiedsspruch der Beklagten vom 18. Februar 2010 über die Festsetzung der Pflegevergütungen und der Entgelte für Unterkunft und Verpflegung für die Zeit vom 23. November 2009 bis 30. November 2010.
Die Klägerin, eine GmbH, ist u.a. Trägerin des Alten- und Pflegeheims L.-U.-Stift (im Folgenden: U.-S.) in B. W. im Landkreis C., dem Beigeladenen zu 4). Das U.-S. verfügt über einen Versorgungsvertrag nach § 72 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) über 80 vollstationäre Plätze bei zwei eingestreuten Kurzzeitpflegeplätzen. Das U.-S. ist in einem 1987 erbauten Gebäude untergebracht. 68 v.H. der Zimmer sind Einzel-, 32 v.H. Doppelzimmer. Alle Zimmer verfügen über eine eigene Nasszelle. Das U.-S. hält Angebote, die die Selbstständigkeit und Lebensfreude im Alter fördern, bereit. Dazu gehören u.a. Feste, Konzerte, Ausflüge, Gottesdienste, Andachten und ein Besuchsdienst (http://www.L.-U.-stift.ev/evheimstiftung.de). Nach der Leistungsbeschreibung der Klägerin gibt es an besonderen Pflegekonzepten außerdem Sturzpräventions-, (ergotherapeutisches) Gedächtnistraining, Beschäftigungstherapie, Basteln, Hand- und Werkarbeiten, Singen, Spielen und Musizieren, Sitztanz, Gymnastik, Kochen und Backen, Vorlesestunden, Altennachmittage und eine Hauszeitung. Die direkt bei der Klägerin angestellten Mitarbeiter im Bereich Pflege wurden bis 28. Februar 2010 nach den Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie Württemberg (AVR DW) und werden seither nach den Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche Deutschland (AVR DW-EKD) vergütet. Für die Mitarbeiter der Tochtergesellschaft HDG, die als Fremdleistungen im U.-S. die Hausreinigung und die Küchenleistungen erbringen, findet im Bereich Hausreinigung der Mantel- und Lohntarifvertrag für das Gebäudereinigerhandwerk in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Für diese Mitarbeiter im Bereich der Küche gilt der Manteltarifvertrag sowie der Lohntarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Baden-Württemberg in der jeweils geltenden Fassung. Die Pflegefachkraftquote beträgt 50 v.H.. Die Klägerin ist Mitglied des Diakonischen Werks der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, das wie u.a. auch die Rechtsvorgängerinnen der Beigeladenen zu 1) und 2) (im Folgenden einheitlich Beigeladene zu 1) bis 2)) und die früheren Landeswohlfahrtsverbände Baden und Württemberg-Hohenzollern (jetzt Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg - KVJS -) Vertragspartner des Rahmenvertrages für die stationäre Pflege gemäß § 75 Abs. 1 SGB XI für das Land Baden-Württemberg vom 12. Dezember 1996 in der Fassung vom 09. Juli 2002 (im Folgenden RV) ist.
Nach den Angaben der Klägerin gegenüber der Beklagten betrug die durchschnittliche Auslastung 87,5 v.H. bei folgen...