Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattung von Vorverfahrenskosten. Verbandsvertreter als Bevollmächtigter. Höhe der notwendigen Aufwendungen der Rechtsverfolgung. verfassungskonforme Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Höhe der zu erstattenden Aufwendungen im Widerspruchsverfahren bei Vertretung durch einen Verbandsvertreter im Verhältnis zu einem durch einen Rechtsanwalt vertretenen Rechtssuchenden (Anschluss an BSG vom 29.3.2007 - B 9a SB 3/05 R = BSGE 98, 183 = SozR 4-1300 § 63 Nr 6 und B 9a SB 6/05 R).

 

Orientierungssatz

Ein Widerspruchsführer, der einen Vertreter der VdK-Sozialrechtsschutz gGmbH als Bevollmächtigten beauftragt, hat bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des § 63 SGB 10 Anspruch auf Erstattung des erhobenen, satzungsrechtlichen Entgeltsatzes unabhängig davon, dass der VdK-Verband für hilfebedürftige Mitglieder im Fall des Unterliegens einen Teil des geschuldeten Entgelts trägt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.09.2014; Aktenzeichen B 14 AS 5/14 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 25. September 2012 aufgehoben und der Beklagte in Abänderung des Bescheides vom 13. Oktober 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2010 verurteilt, dem Kläger für das Widerspruchsverfahren notwendige Aufwendungen in Höhe von weiteren 102 € zu erstatten.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten steht die Höhe der dem Kläger zu erstattenden Kosten für ein erfolgreiches Widerspruchsverfahren im Streit.

Mit Bescheid vom 14. Juli 2010 (Bl. 246 Verwaltungsakten - VA -) verhängte die Agentur für Arbeit R. (jetzt Jobcenter Landkreis R. - im Folgenden Beklagter) im Rahmen einer Sanktion gegenüber dem im Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) stehenden Kläger eine Absenkung des Arbeitslosengeldes II um 60 v. H. für die Zeit vom 1. August bis 31. Oktober 2010. Der Kläger bezog zu der hier streitigen Zeit von April bis September 2010 von der Agentur für Arbeit R. Arbeitslosengeld II in Höhe von 359,00 € (Bescheid vom 22. Februar 2010) zuzüglich der Kosten der Unterkunft vom Landratsamt R. Der Kläger befand sich auch in der Folgezeit 2011/2012 im SGB II-Leistungsbezug.

Der am 22. Juli 2010 bevollmächtigte Sozialrechtsreferent der VdK Sozialrechtsschutz gGmbH legte mit Schreiben vom selben Tag (Bl. 254, 263 VA) hiergegen Widerspruch ein und begründete diesem mit zweiseitigem Schriftsatz vom 26. August 2010 (Bl. 273/274 VA). Daraufhin hob der Beklagte mit Bescheid vom 28. September 2010 (Bl. 287 VA) den angefochtenen Sanktionsbescheid auf und erklärte sich bereit, die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten auf Antrag zu erstatten, soweit sie notwendig waren und nachgewiesen würden.

Mit Schreiben vom 29. September 2010 beantragten die Bevollmächtigten die Festsetzung einer Vorverfahrensgebühr in Höhe von 230,- € entsprechend den Kostensätzen der VdK Sozialrechtsschutz gGmbH für Mitglieder, welche gem. § 53 Abgabenordnung (AO) bedürftig seien.

Mit Bescheid vom 13. Oktober 2010 (Bl. 295 VA) setzte der Beklagte die zu erstattenden Kosten im Widerspruchsverfahren auf 18,- € fest. Zur Begründung wurde ausgeführt, eine weitergehende Kostenerstattung sei nicht möglich, weil nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. April 1996 (Aktenzeichen: 5 RJ 44/95) ein Bevollmächtigter, welcher nicht nach einer gesetzlichen Gebührenordnung abrechnen dürfe, nur einen Anspruch auf Auslagenersatz habe. Vertretungskosten seien nur dann erstattungsfähig, wenn sie auf einer gesetzlichen Ordnung des Kostenrahmens - einer Gebührenordnung - beruhten. Eine nur satzungsmäßige Gebührenpflicht löse keine Erstattungspflicht aus, sodass im Rahmen des § 63 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren - (SGB X) nur die durch die Rechtsberatung der VdK Sozialrechtschutz gGmbH entstandenen Auslagen erstattet werden könnten, für welche anstelle eines Einzelnachweises der vereinbarte Pauschbetrag von 18,- € ausgezahlt werde.

Hiergegen erhoben die Bevollmächtigten des Klägers Widerspruch und beantragten gleichzeitig das Ruhen des Verfahrens, da zum damaligen Zeitpunkt das Justizministerium des Landes Baden-Württemberg die Kostensätze der VdK Sozialrechtsschutz gGmbH prüfte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte aus, einem Ruhen des Widerspruchsverfahrens werde nicht zugestimmt, denn es existiere eine höchstrichterliche Rechtsprechung, dass ein Bevollmächtigter, welcher nicht nach einer gesetzlichen Gebührenordnung abrechnen dürfe, (nur) Anspruch auf Auslagenersatz habe.

Hiergegen hat der Kläger durch seine Bevollmächtigten am 24. November 2010 Klage vor dem Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben und zur Begründung auf das Urteil des BSG vom 29. März 2007 (B 9a SB 6/05 R; BSGE 98, 183) Bezug genommen, wonach die ...

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