Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. Zweitwohnung. Miteigentums- bzw Miterbenanteil am Hausgrundstück einer noch nicht aufgelösten Erbengemeinschaft. Auseinandersetzungsanspruch. Verwertbarkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Zweitwohnung ist kein geschütztes Vermögen im Sinne des § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB II.

2. Macht ein Miterbe seinen Auseinandersetzungsanspruch an einem im Eigentum einer Erbengemeinschaft stehenden Hausgrundstück nicht geltend, besteht kein tatsächliches Verwertungshindernis (Anschluss an BSG vom 27.01.2009 - B 14 AS 42/07 R = SozR 4-4200 § 12 Nr 12 = juris RdNr 34).

 

Normenkette

SGB II § 12 Abs. 1, 3 S. 1 Nr. 4, § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1, 4, §§ 22, 24 Abs. 5 S. 1; BGB § 2033 Abs. 1 S. 1, § 242 Abs. 2, § 2047; SGB X § 42 S. 1; SGG § 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, § 66 Abs. 2 S. 1, §§ 77, 87 Abs. 1 S. 1, § 99 Abs. 1, 3 Nr. 1, § 144 Abs. 1 S. 1, § 145

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 01.02.2021; Aktenzeichen B 14 AS 31/20 BH)

 

Tenor

Die Berufungen des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11.04.2019 sowie gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29.07.2019 und vom 17.09.2019 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch in den Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wegen Vermögens des Klägers als Darlehen anstatt als Zuschuss sowie die zweimalige Ablehnung der Leistungsbewilligung wegen Vermögens im Streit.

Der am 1982 geborene und (...) selbständig tätige Kläger ist im Jahr 2002 als Erbe seines Vaters zu 1/8 Miteigentümer eines Hausgrundstücks in E. geworden. Weitere Miteigentümer sind die Mutter des Klägers zu 3/4 und seine Schwester zu 1/8. Der Wert dieses Hausgrundstücks betrug laut Erbschein aus dem Jahr 2003 175.000 €. Das Grundstück war laut Erbschein mit einer Grundschuld in Höhe von 90.000 € belastet. Im Jahr 2018 betrugt die Höhe der Grundschuld laut Grundbuch noch 46.016,27 €.

Ab dem 31.10.2012 lebte der Kläger in P. in einem im Alleineigentum seiner Mutter stehenden Haus. Hierfür hatte er nur die Nebenkosten zu tragen. Seine bisherige Wohnung in dem teilweise ihm gehörenden Haus in E. behielt der Kläger bei und war ab dem 27.11.2017 dort gemeldet. Zum 28.12.2018 verlegte er seinen Hauptwohnsitz unter Beibehaltung des Wohnsitzes in E. nach P. zurück.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger durch Bescheid vom 21.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.04.2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29.08.2017 für den Zeitraum vom 01.11.2016 bis zum 30.04.2017 vorläufig Leistungen nach dem SGB II als Darlehen. Die vorläufige Bewilligung beruhte auf der ungeklärten Einkommenshöhe bei selbständiger Tätigkeit des Klägers. Lediglich als Darlehen bewilligte die Beklagte Leistungen, weil der Kläger über einen Miteigentumsanteil an dem Hausgrundstück in E. verfüge, der nicht sofort verwertbar sei. Die Beklagte wies den Kläger darauf hin, dass eine weitere Hilfegewährung nur möglich sei, wenn eine Verwertung des Hausgrundstücks trotz ernsthafter und nachhaltiger Bemühungen nachweislich nicht möglich sei. Sie forderte ihn auf, entsprechende Nachweise vorzulegen.

Für den Folgezeitraum vom 01.05.2017 bis zum 31.10.2017 bewilligte die Beklagte dem Kläger durch Bescheid vom 24.04.2017 in der Fassung des Bescheides vom 27.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2017 aus den vorgenannten Gründen wiederum vorläufig Leistungen nach dem SGB II als Darlehen. Weitere Änderungsbescheide hinsichtlich der Höhe der vorläufig als Darlehen bewilligten Leistungen ergingen am 29.08.2017 und am 16.11.2017. Durch Bescheid vom 11.02.2019 setzte die Beklagte die darlehensweise bewilligten Leistungen endgültig fest.

Die wegen der vorläufigen und darlehensweisen Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeiträume vom 01.11.2016 bis zum 30.04.2017 und vom 01.05.2017 bis zum 31.10.2017 vom Kläger erhobene Klage hatte keinen Erfolg (SG Karlsruhe, Urteil vom 24.10.2017 - S 4 AS 1325/17 - nicht veröffentlicht; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.01.2018 - L 2 AS 4515/17 - nicht veröffentlicht; BSG, Beschluss vom 21.02.2018 - B 14 AS 7/18 BH - juris).

Den Antrag des Klägers vom 10.07.2018 auf Berücksichtigung eines zusätzlichen Bedarfs für Heizöl in Höhe von 892,19 € im Bewilligungszeitraum vom 01.05.2017 bis zum 31.10.2017 lehnte die Beklagte durch weiteren Bescheid vom 11.02.2019 ab. Laut Rechnung vom 20.10.2017 hatte der Kläger den entsprechenden Betrag im Oktober 2017 beglichen.

Die Bewilligung von Leistungen ab dem 01.11.2017 lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 24.11.2017 wegen des Vermögens des Klägers ab. Der Wert des Miteigentumsanteils an dem Hausgrundstück in E. betrage 21.875 € und übersteige damit den Vermögensfreibetrag des Klägers um 15.875 €.

Auch den Antrag des Klägers vom 12.12.2018 auf Leistungen nach dem SGB II lehn...

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